Der zweite Mord
haben?«
Anna-Karin nickte.
»Ja. Meist an den Wochenenden, wenn niemand in der Klinik war. Aber Linda machte Schluss mit Pontus. Wahrscheinlich hätten sie sich jetzt zu Hause bei ihr treffen können. Aber da ist man natürlich nicht vor dem Klatsch der Nachbarn sicher …«
»Aber Linda hat gesagt, dass sie heiraten wollten?«
»Ja.«
»Wann hat sie Ihnen das erzählt?«
Anna-Karin schluckte mehrere Male, bevor sie flüsterte:
»Am Wochenende, bevor sie … starb. Sie kam abends zu mir. Ich war allein, mein Freund war beim Arbeiten. Wir tranken eine Flasche Wein. Da erzählte sie mir alles. Niemand sonst wusste was. Aber sie wollte sich jemandem anvertrauen.«
»Entschuldigen Sie die Frage, aber wie heißt Ihr Freund und warum arbeitet er am Wochenende? Wir dachten, dass er an der Schule ist. Lehrer arbeiten doch nicht an Wochenenden?«
Ein Lächeln huschte über Anna-Karins gequältes Gesicht.
»Er heißt Ola Pettersson und ist Ratgeber für die Mittelstufe in Varberg. Er führte an diesem Wochenende bei einer Schuldisko die Aufsicht. Deswegen haben wir uns nicht gesehen.«
Irene kam wieder zum Thema zurück:
»In dieser kurzen Zeit war also Lindas und Sverkers Romanze so weit gediehen, dass Sverker Löwander ihr bereits die Ehe versprochen hatte?«
»Ja. Das sagte sie jedenfalls.«
»Hat sie sonst noch was gesagt? Fühlte sie sich bedroht?«
»Nein. Absolut nicht. Sie wirkte nur wahnsinnig glücklich.«
Irene dachte über das Gesagte nach. Plötzlich gab es eine Erklärung dafür, warum Linda um Mitternacht in der Löwander-Klinik gewesen war. Vorsichtig fragte Irene:
»Glauben Sie, dass Linda Sverker in der Nacht in der Klinik treffen wollte, in der sie und Marianne ermordet wurden?«
Anna-Karin nickte und sagte mit zitternder Stimme:
»Ja. Das ist eben das, woraus ich nicht schlau werde. Ich habe ständig darüber nachgedacht. Außer mir wusste niemand, dass sie zusammen waren und sich immer in der Klinik trafen. Niemand! Aber warum sollten sie sich mitten in der Nacht treffen? Warum wurden Marianne und Linda ermordet? Und von wem? Sverker kann es nicht gewesen sein. Das weiß ich. Er liebte Linda.«
»Wie wollen Sie das wissen?«
»Das hat Linda gesagt. Und Sie haben ja auch Augen im Kopf. Er ist krank vor Kummer. Ich versichere Ihnen, er ist in diesen Wochen, seit Linda verschwunden ist … und gefunden wurde, um zehn Jahre gealtert.«
Anna-Karin hatte ihr Papiertaschentuch ganz fest zusammengeknüllt und fing jetzt an, nervös Fetzen davon abzureißen. Irene seufzte und griff nach dem Papierkorb unter ihrem Schreibtisch. Sie reichte ihn Anna-Karin und sagte freundlich:
»Sie können Ihr Taschentuch hier reinwerfen.«
Zum ersten Mal während ihres Gesprächs wich die Blässe der Krankenschwester einer verlegenen Röte. So sah sie wirklich viel gesünder aus. Irene fuhr fort:
»Wo wollen Sie jetzt wohnen? In Ihre Wohnung können Sie nicht.«
Anna-Karin zuckte zusammen.
»Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Ich muss wohl wieder bei meiner Mutter einziehen. Sie wohnt in Kungälv. Es ist kein Problem, von dort mit dem Bus zur Arbeit zu kommen.«
»Gut. Aber Sie müssen uns ihre Adresse und Telefonnummer geben. Halten Sie sich von der Klinik fern, bis wir den Mörder gefasst haben. Und geben Sie keinem Ihre neue Adresse. Das ist zu gefährlich. Verhalten Sie sich in Kungälv unauffällig.«
»Kann ich nach Varberg fahren und Ola besuchen?«
»Telefonieren Sie die nächsten Tage nur mit ihm. Wir sind sicher, dass wir den Mörder in den nächsten Tagen fassen werden.«
Irene klang zuversichtlicher, als sie es eigentlich war, aber Anna-Karin schienen die Worte der Inspektorin gut zu tun.
Sie rief bei ihrer Mutter an und kündigte ihr Kommen an. Die Erwähnung des Brandes löste an beiden Enden der Leitung Tränenströme aus. Als sie auflegte, schien sie jedoch in bedeutend besserer Verfassung zu sein. Tommy sorgte dafür, dass sie von der Polizei nach Kungälv gebracht wurde.
Als sich die Tür hinter Anna-Karins Rücken schloss, streckte Irene die Hand aus und wählte die Nummer der Löwander-Klinik.
»Ja. Ich hatte ein … Verhältnis mit Linda.«
Hatte Sverker Löwander bisher immer gerädert und übermüdet ausgesehen, so schien er jetzt vollkommen in sich zusammenzufallen. Seine Augen waren fast ganz in ihren Höhlen verschwunden. Sein Haar war ungewaschen, und in den letzten Wochen hatte er mehrere Kilo abgenommen. Seine Hände zitterten sichtbar. Offenbar isst
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