Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
erweiterten Möglichkeiten befristeter Beschäftigung fort, die von
den Unternehmen auch gerne in extenso genutzt wurden. Das Gleiche gilt für den rechtlich vergrößerten Spielraum, Leiharbeiter
zu beschäftigen. War das zuvor nur für Phasen wohldefinierter Überauslastung zulässig, gibt es seither die Möglichkeit, permanent
Beschäftigte von Verleihfirmen einzusetzen. Auch das wurde und wird weidlich genutzt, zumal die Tarifverträge auch noch eine
im Vergleich zur Stammbelegschaft niedrigere Entlohnung der Leiharbeiter zulassen. Insgesamt gesehen hat diese heutige »schöne«
neue Arbeitswelt mit den sicheren Beschäftigungsverhältnissen von vor 20 Jahren nur noch wenig zu tun.
Der intendierte gemeinsame Nenner all dieser Arbeitsmarktreformen ist der, Beschäftigungsverhältnisse zu flexibilisieren.
Man hatte ursprünglich die Hoffnung, dass ein flexiblerer Arbeitsmarkt durch den erhöhten Wettbewerbsdruck zu niedrigeren
Löhnen und dann zu höherer Beschäftigung führen würde. Mehr Ungleichheit am unteren Rand der Einkommensskala in Kauf zu nehmen
war insofern Teil der Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Koalition. Nur mit dieser erhöhten Ungleichheit ließen sich ja,
folgt man dieser Logik, überhaupt Beschäftigungseffekte erzielen. Dass dieser erwünschte Effekt bestenfalls nur begrenzt eingetreten
ist, habe ich im vorhergehenden Kapitel ausführlich dargelegt.
Es gibt allerdings einige interessante Nebenüberlegungen im Zusammenhang mit dieser Position. Wenn die Arbeitsmarktreformen
so erfolgreich wären, wie sich dies die Initiatoren und so manche Ökonomen sicherlich gewünscht hätten, dann würde die Ungleichheit |53| entweder, im Idealfall, sogar abgenommen haben, oder aber sie hätte sich nur geringfügig erhöht. Ob als Ergebnis solcher Reformen
tatsächlich die Ungleichheit zunimmt, hängt vom Ausmaß des Erfolgs der Reformen ab. Nimmt als Folge – preisbereinigt – niedrigerer
Löhne die Beschäftigung mehr als proportional zu, würde die Ungleichheit sogar abnehmen. Im Ergebnis wären zwar die Löhne
niedriger als zuvor, da aber die Beschäftigung stärker gestiegen wäre, als die Löhne gesunken sind, wäre die Summe der Einkommen
sogar gestiegen. Damit hätte die Ungleichheit abgenommen.
Dies ist aber nur der Idealfall; kaum jemand hatte damit gerechnet, dass er eintritt. Realistischer war es, dass die Einkommen
zumindest etwas zurückgehen, da der zu erwartende Beschäftigungsanstieg niedriger als die Lohnsenkung ausfallen dürfte. Das
heißt im Klartext: Durch die Reformen war realistisch gesehen in jedem Fall ein Anstieg der Ungleichheit zu erwarten. Die
Frage war nur, wie stark der Anstieg ausfallen würde. Der geschilderte Misserfolg der Reformen im Hinblick auf eine höhere
Beschäftigung lässt nun den Lohndruck ungebremst auf die Einkommen durchschlagen. Damit entpuppt sich die Arbeitsmarktpolitik
des vergangenen Jahrzehnts entgegen dem Willen ihrer Begründer als eine Politik der Ungleichheit. Die Schere zwischen Arm
und Reich öffnete sich weiter. Das wird deutlich, wenn man sich das andere Ende der Skala ansieht.
Politik für die Reichen
Die Wirtschaftspolitik in Deutschland ließ nicht nur ein Ausfransen der unteren Einkommen zu. Zugleich wurde für die oberen
Einkommen mehr Freiraum geschaffen. Die Deregulierung der Finanzmärkte erzeugte für die Finanzmarktakteure neue Möglichkeiten,
exorbitant höhere Einkommen zu erzielen, da nunmehr der Vertrieb und die Konstruktion neuer, hochkomplexer Produkte immer
mehr Spezialkenntnisse erforderte. Das erhöhte drastisch die Marktmacht derjenigen, die in diesen Bereichen beschäftigt waren.
Entsprechend |54| explodierten ihre Gehälter. Ähnliches, wenn auch nicht ganz so extrem, spielte sich in der übrigen Wirtschaft ab. Die Unternehmensführung
orientierte sich immer stärker an Finanzmarktkriterien, zu denen aus ihrer Sicht eben auch eine adäquate hohe Entlohnung gehörte.
Die offizielle Begründung hierfür war die zunehmende Globalisierung, die eine internationale Angleichung der Managergehälter
an das höhere Niveau in den USA erforderte. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, wurde das alles durch die Politik auch
noch steuerlich flankiert.
So wurde der Spitzensteuersatz von 56 Prozent auf 42 Prozent gesenkt. Kapitaleinkommen werden nur pauschal mit 25 Prozent
besteuert, was deutlich unter dem Durchschnittssteuersatz der entsprechenden Einkommensbezieher
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