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Des Teufels Alternative

Des Teufels Alternative

Titel: Des Teufels Alternative Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Die Verlesung der Urteilsbegründung dauerte über eine Stunde.
    Mischkin und Lasareff hörten sich auf der durch Panzerglasscheiben gesicherten Anklagebank ausdruckslos an, was der Dolmetscher ihnen übersetzte. Von Zeit zu Zeit tranken sie aus den vor ihnen stehenden Gläsern einen Schluck Wasser. Von den dichtbesetzten Pressebänken aus wurden sie und die Richter aufmerksam beobachtet. Nur ein Journalist, der ein linksstehendes deutsches Monatsmagazin vertrat, schien sich mehr für die Wassergläser als für die Angeklagten zu interessieren.
    Das Gericht vertagte sich bis nach der Mittagspause, und als es wieder zusammentrat, war der Journalist nicht mehr an seinem Platz. Er telefonierte von einer Telefonzelle außerhalb des Gebäudes aus.
    Die Angeklagten waren zu je 15   Jahren Haft verurteilt worden. Sie wurden fortgebracht, um ihre Haftstrafen im Gefängnis Tegel im Nordteil der Stadt anzutreten, und der Gerichtssaal leerte sich innerhalb weniger Minuten. Putzfrauen räumten die überquellenden Papierkörbe und die leeren Karaffen und Gläser weg. Eine Frau mittleren Alters nahm sich die Anklagebank vor. Ohne von ihren Kolleginnen beobachtet zu werden, wickelte sie die Wassergläser der beiden Angeklagten in zwei Staubtücher und legte sie in ihre Einkaufstasche zu ihrer leeren Thermosflasche. Niemand achtete darauf, und keiner hätte sich darum gekümmert, selbst wenn es aufgefallen wäre.
    Am letzten Tag des Monats wurde Wassili Petrow auf seine dringende Bitte hin von Maxim Rudin in dessen Kremlsuite empfangen.
    »Mischkin und Lasareff«, sagte er ohne Einleitung.
    »Was ist mit ihnen? Sie haben fünfzehn Jahre bekommen. Dabei hätten sie vor ein Erschießungskommando gehört!«
    »Einer unserer Leute in Westberlin hat die Gläser entwendet, aus denen sie während der Verhandlung getrunken haben. Der Handabdruck an einem Glas stimmt mit dem überein, den wir in dem Wagen gefunden haben, mit dem Iwanenkos Mutter im Oktober in Kiew angefahren worden ist.«
    »Dann sind sie’s also gewesen! Diese Dreckskerle! Lassen Sie sie umlegen, Wassili. Liquidieren Sie sie so schnell wie möglich. Das ist ein Fall für die Abteilung ›Nasse Angelegenheiten‹.«
    Das KGB, das weitgespannte und komplexe Aufgabengebiete hat, gliedert sich in großen Zügen in vier Hauptverwaltungen, sieben unabhängige Verwaltungen und sechs selbständige Abteilungen.
    Die vier Hauptverwaltungen machen die Masse der KGB-Organisation aus. Eine von ihnen, die Erste Hauptverwaltung, befaßt sich ausschließlich mit nachrichtendienstlicher Tätigkeit außerhalb der UdSSR.
    Zum geheimen Kern der Ersten Hauptverwaltung gehört die Abteilung V, die auch als Abteilung Exekutive Aktion bezeichnet wird. Diese Abteilung würde das KGB am liebsten völlig vor der Öffentlichkeit inner- und außerhalb der Sowjetunion verbergen, denn zu ihren Aufgaben gehören Sabotageakte, Erpressungen, Entführungen und Morde. Im KGB-Jargon trägt sie meistens den Spitznamen Abteilung mokrie dela oder »nasse Angelegenheiten«, weil bei ihrer Arbeit häufig Blut fließt. Dieser Abteilung V der Ersten Hauptverwaltung des KGB sollte Petrow auf Maxim Rudins Anweisung die Liquidierung Lasareffs und Mischkins übertragen.
    »Das habe ich mir auch überlegt«, stimmte Petrow zu. »Noch besser wäre es vielleicht, damit Oberst Kukuschkin, den Chef von Iwanenkos Leibwache, zu beauftragen. Er hätte allen Grund, erfolgreich zu sein – um seine eigene Haut zu retten und Iwanenkos Tod und seine eigene Demütigung zu rächen. Er hat schon vor nahezu zehn Jahren eine Zeitlang für die ›Nassen Angelegenheiten‹ gearbeitet. Außerdem weiß er bereits, was in der Rosa-Luxemburg-Straße geschehen ist – er ist dabeigewesen. Und er spricht ausgezeichnet Deutsch. Bei diesem Sonderauftrag wäre er nur General Abrassow und mir unterstellt.«
    Rudin nickte grimmig.
    »Gut, er soll den Fall übernehmen. Er kann sich seine Leute selbst aussuchen. Abrassow stellt ihm alles Gewünschte zur Verfügung. Offiziell handelt es sich darum, den Tod von Flugkapitän Rudenko zu rächen. Aber er muß unbedingt gleich beim erstenmal Erfolg haben, Wassili. Sollte der erste Anschlag mißlingen, könnten Mischkin und Lasareff auspacken. Und als potentielle Opfer eines beinahe geglückten Mordanschlags würden sie vielleicht auch Glauben finden. Jedenfalls bei Wischnajew, und Sie wissen, was das bedeuten würde.«
    »Ja, ich weiß«, bestätigte Petrow ruhig. »Das Attentat wird nicht fehlschlagen.

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