Des Teufels Alternative
aus London gegangen. In Wirklichkeit war Munro mitgeteilt worden, daß in der Schlüsselzentrale eine Nachricht für ihn lag.
Die Schlüsselzentrale in der Botschaft am Maurice-Thorez-Kai liegt im Keller und ist ein abhörsicherer Raum, der regelmäßig nach »Wanzen« abgesucht wird. Die dort arbeitenden Entschlüßler gehören zum Botschaftspersonal und haben zwangsläufig Zugang zu Vorgängen der höchsten Geheimhaltungsstufe. Trotzdem kommen manchmal Fernschreiben an, deren Kenngruppe zeigt, daß sie nicht mit der normalen Dechiffriermaschine entschlüsselt werden können. Sie werden von einem bestimmten Entschlüßler übernommen, der informiert ist, weil er informiert sein muß. Gelegentlich trugen Mitteilungen für Munro diese spezielle Kennung. Der zuständige Entschlüßler kannte Munros wahre Funktion; er mußte eingeweiht sein, um ihn notfalls vor denen schützen zu können, die nichts davon wußten.
Munro betrat die Schlüsselzentrale und nickte dem Entschlüßler zu. Die beiden Männer zogen sich in eine kleine Nische zurück, wo der andere, ein pedantischer, methodisch arbeitender Mann mit Bifokalgläsern, einen an seinem Gürtel hängenden Schlüssel benützte, um eine spezielle Dechiffriermaschine aufzuschließen. Er tippte die Nachricht aus London ein, und die Maschine spuckte den Klartext aus. Der Entschlüßler interessierte sich nicht für die Nachricht, sondern schloß sofort wieder seine Maschine ab.
Munro las den Text und lächelte zufrieden. Er merkte sich den Inhalt, bevor er das dünne Blatt Papier in einen Reißwolf steckte, der es zu winzigkleinen Schnitzeln verarbeitete. Dann bedankte er sich bei dem Entschlüßler und ging innerlich jubelnd davon. Barry Ferndale hatte ihm mitgeteilt, daß die Unterzeichnung des sowjetisch-amerikanischen Vertrags unmittelbar bevorstehe und daß die Nachtigall in der Woche vom 16. bis 23. April von der rumänischen Küste bei Konstanza abgeholt werden könne. Auch die Einzelheiten des geplanten Fluchthilfeunternehmens waren mit der Nachricht durchgegeben worden. Munro sollte sich mit Nachtigall in Verbindung setzen und sein Einverständnis zurückmelden.
Nachdem der amerikanische Präsident Rudins persönliche Botschaft erhalten hatte, sagte er zu David Lawrence:
»Da es sich hier um mehr als ein bloßes Abkommen zur Rüstungsbegrenzung handelt, müssen wir die Abmachung wohl als Vertrag bezeichnen. Und da er offenbar in Dublin unterzeichnet werden wird, dürfte er als Dubliner Vertrag in die Geschichte eingehen.«
Lawrence hatte die Regierung der Republik Irland konsultiert, die mit kaum verhehlter Begeisterung geantwortet hatte, sie sei gern bereit, die Gastgeberrolle bei der feierlichen Unterzeichnung des Vertrages durch die Außenminister der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion am 10. April in der Saint Patrick’s Hall von Dublin Castle zu übernehmen.
Matthews antwortete Rudin am 16. März und erklärte sich mit Ort und Zeitpunkt für den Abschluß des Vertrages einverstanden.
In den Hügeln bei Ingolstadt an der Donau gibt es zwei große Steinbrüche. In der Nacht vom 18. auf den 19. März wurde der Nachtwächter einer dieser Steinbrüche von vier Maskierten – von denen mindestens einer mit einer Pistole bewaffnet war, wie der Überfallene bei seiner polizeilichen Vernehmung aussagte – überfallen und gefesselt. Die Männer, die Ortskenntnis zu besitzen schienen, schlossen das Sprengstofflager mit dem Schlüssel des Nachtwächters auf und stahlen 250 Kilogramm Dynamit und eine Anzahl elektrischer Zündkapseln. Dann tauchten sie in der Nacht unter. Am 19. März, einem Samstag, wurde in dem Steinbruch nicht gearbeitet, und es dauerte fast bis Mittag, bevor der gefesselte Nachtwächter aufgefunden und der Diebstahl entdeckt wurde.
Die polizeilichen Ermittlungen wurden mit Nachdruck geführt. Sie konzentrierten sich wegen der offensichtlichen Ortskenntnis der Täter auf die gegenwärtig und früher im Steinbruch beschäftigten Arbeiter. Die Fahndung galt Linksextremisten, und ein gewisser Klimtschuk, der bis vor drei Jahren in diesem Steinbruch gearbeitet hatte, erregte weiter keine Aufmerksamkeit, weil man ihn dem Namen nach für einen Polen hielt. In Wirklichkeit ist Klimtschuk ein ukrainischer Name.
Die beiden Wagen, mit denen der Sprengstoff transportiert wurde, trafen noch am Samstagabend wieder in Brüssel ein, nachdem sie die deutsch-belgische Grenze auf der Autobahn AachenLüttich passiert hatten. Wegen des
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