Des Teufels Alternative
strömen.
»Wo liegen die nächsten Ballasttanks?« fragte der Terrorist. Martinsson zeigte auf die mittschiffs liegenden Tanks.
»Hier sind drei nebeneinander«, sagte er.
»Gut, lassen Sie sie, wie sie sind«, wies ihn der Maskierte an. »Wo sind die übrigen?«
»Wir haben insgesamt neun Ballasttanks«, erklärte ihm der Pumpenmann. »Die letzte Dreierreihe liegt hier unmittelbar vor den Aufbauten.«
»Öffnen Sie die Ventile zwischen den drei Tanks.«
Martinsson gehorchte wortlos.
»Gut«, meinte der Terrorist zufrieden. »Läßt sich eine Verbindung zwischen den Ballasttanks und den Rohöltanks herstellen?«
»Nein«, antwortete Martinsson, »das ist nicht möglich. Die Ballasttanks sind ausschließlich für Ballast bestimmt – entweder enthalten sie Meerwasser oder Luft, aber niemals Öl. Für die Ladeöltanks gilt das Gegenteil. Die beiden Systeme können nicht miteinander verbunden werden.«
»Das läßt sich ändern«, sagte der Maskierte trocken. »Öffnen Sie sämtliche Ventile zwischen den Rohöltanks, so daß alle fünfzig miteinander in Verbindung stehen.«
Martinsson brauchte 15 Sekunden, um die entsprechenden Knöpfe zu drücken. Tief unten im Schiffsleib öffneten sich in dem zähflüssigen schwarzen Rohöl Dutzende von riesigen Ventilen. 50 Frachtabschnitte bildeten einen einzigen, gewaltigen Tank. Er enthielt eine Million Tonnen Erdöl. Entsetzt starrte Martinsson die Leuchtanzeigen auf seinem Schaltpult an.
»Wenn die ›Freya‹ jetzt mit einem beschädigtem Tank sinkt«, flüsterte er, »fließen eine Million Tonnen Öl aus!«
»Unter diesen Umständen täten die zuständigen Stellen gut daran, dafür zu sorgen, daß sie nicht sinkt«, meinte der Terrorist. »Wo befindet sich der Hauptschalter für die Stromversorgung der Hydraulikpumpen, mit denen die Ventile gesteuert werden?«
Martinsson zeigte auf einen Schaltkasten an der Wand dicht unter der Decke. Der Terrorist stellte sich auf die Zehenspitzen, öffnete die Tür und zog den Hebel nach unten. Nachdem er den Stromkreis auf diese Weise unterbrochen hatte, schraubte er die zehn Sicherungen heraus und steckte sie ein. Der Pumpenmann beobachtete ihn fassungslos. Jetzt konnten die Ventile nicht mehr geschlossen werden. Selbstverständlich hatte Martinsson Ersatzsicherungen, und er wußte, wo sie lagen. Aber er würde unten im Farbenlager eingesperrt sein. Kein Fremder, der den Kontrollraum betrat, würde sie rechtzeitig genug entdecken, um die lebenswichtigen Ventile schließen zu können.
Bengt Martinsson hatte während seiner Ausbildung zum Pumpenmann gelernt, daß ein Tanker nicht einfach aufs Geratewohl be- oder entladen werden darf. Werden alle Steuerbordtanks gefüllt, während die anderen leerbleiben, legt sich das Schiff auf die Seite und sinkt. Werden nur die Backbordtanks gefüllt, kentert es nach Backbord. Werden die vorderen Tanks gefüllt, ohne daß achtern ein Gewichtsausgleich herbeigeführt wird, taucht der Tanker mit dem Bug ins Wasser und reckt das Heck steil in die Höhe; das Gegenteil tritt ein, wenn das Schiff hecklastig wird und die Bugtanks leerbleiben.
Werden die Ballasttanks in Bug und Heck jedoch geflutet, während die Mittschifftanks leerbleiben, krümmt das Schiff sich wie ein Turner, der eine Brücke macht. Tanker sind nicht für solche Belastungen konstruiert; das massive Rückgrat der Freya würde in der Mitte auseinanderbrechen.
»Was passiert, wenn wir die fünfzig Öltankluken öffnen?« fragte der Terrorist.
Martinsson hatte gute Lust, es darauf ankommen zu lassen. Er dachte an Kapitän Larsen, der hoch über ihm in seiner Kabine saß und mit einer Maschinenpistole bedroht wurde. Er holte tief Luft.
»Das wäre lebensgefährlich«, antwortete er. »Außer Sie hätten Sauerstoffgeräte.«
Der Pumpenmann erklärte dem Maskierten, daß die Öltanks niemals randvoll mit Rohöl gefüllt werden. In dem Raum zwischen dem hin und her schwappenden Ölsee und der Tankdecke sammelt sich ein leichtes, hochexplosives Gemisch aus Gasen an, die das Erdöl abgibt. Werden sie nicht abgelassen, verwandeln sie das Schiff in eine Bombe.
Vor Jahren war es üblich, das Gas durch Leitungen mit Überdruckventilen abzulassen: Es entwich über Deck ins Freie, wo es wegen seines geringen Gewichts sofort nach oben stieg. In letzter Zeit war ein weitaus sichereres Verfahren entwickelt worden. Nicht entzündbare Abgase der Antriebsmaschine, vor allem Kohlenmonoxid, wurden in die Tanks geleitet, verdrängten den
Weitere Kostenlose Bücher