Des Teufels Alternative
Knopf, neben dem eine zehn Zentimeter lange Antenne emporragte.
»Wissen Sie, was das ist, Captain?« fragte er. Larsen zuckte mit den Schultern. Er verstand genug vom Funken, um einen kleinen Sender zu erkennen.
»Das ist ein Oszillator«, erklärte ihm Drake. »Sobald ich auf diesen roten Knopf drücke, sendet das Gerät eine für unsere Ohren unhörbare Frequenz aus, die immer höher wird. In jeder der an Bord befindlichen Sprengladungen ist ein Empfänger mit einer Skala eingebaut, der dieses Signal aufnehmen kann. Während die Tonhöhe ansteigt, bewegen sich die Zeiger in den Meßinstrumenten stetig zu höheren Skalenwerten. Sobald die Zeiger anschlagen, brennen die Sicherungen der Empfänger durch und unterbrechen den Stromkreis. Diese Unterbrechung löst über ein Relais die Zündung aus. Was das bedeutet, ist Ihnen ja wohl klar?«
Thor Larsen starrte fassungslos die Maske des Mannes an, der ihm gegenüber saß. Seinem Schiff, seiner geliebten Freya , sollte Gewalt angetan werden, und er konnte nichts dagegen unternehmen. Seine Besatzung steckte in einem Stahlsarg, nur durch ein Schott von der Sprengladung getrennt, die sie alle zerschmettern und innerhalb von Sekunden im eisigen Meerwasser verschwinden lassen konnte.
Vor Larsens innerem Auge entstand ein Inferno. An Steuerbord und Backbord rissen die detonierenden Sprengladungen riesige Lecks in vier Ballasttanks. Tosende Wassermassen stürzten herein und füllten in Minuten die äußeren und den inneren Tank. Das Meerwasser, das ein höheres spezifisches Gewicht als Erdöl besitzt, übte den stärkeren Druck aus; es drang durch die großen Lecks in den Schotten und preßte das Öl aus den benachbarten Tanks durch die Mannlöcher nach draußen. Sechs Tanks waren mit Meerwasser überflutet.
Der Maschinenraum füllte sich innerhalb weniger Minuten mit Tausenden von Tonnen grünen Wassers. Bug und Heck sanken mindestens drei Meter ab, während mittschiffs die unbeschädigten Ballasttanks dem Rumpf Auftrieb verliehen. Die Freya , die Schönste unter den nordischen Göttinnen, krümmte unter Schmerzen ihren Rücken und zerbrach. Die beiden Wrackteile sanken 20 Meter tief auf den Meeresboden und blieben dort liegen, mit ihren 50 offenen Mannlöchern, aus denen eine Million Tonnen Rohöl strömte und die Nordsee mit einem Ölteppich bedeckte.
Es würde vielleicht eine Stunde dauern, bis die riesige Göttin ganz gesunken war, aber ihr Sinken war nicht aufzuhalten. In so geringer Wassertiefe ragte ihre Brücke möglicherweise noch aus dem Meer. Trotzdem könnte sie nie wieder gehoben werden. Es dauerte wahrscheinlich drei Tage, bis die gesamte Ölladung ausgeflossen war – aber zwischen 50 senkrecht aufsteigenden Rohölsäulen konnte kein Taucher arbeiten. Die Mannlöcher würden nie mehr geschlossen werden.
Das Ausströmen des Öls und die Zerstörung des Schiffs wären unwiderruflich.
Larsen starrte die Maske des Mannes an, ohne dessen Frage zu beantworten. Die Wut in ihm wuchs von Minute zu Minute, aber er beherrschte sich.
»Was wollen Sie von mir?« knurrte er. Der Terrorist warf einen Blick auf die Digitaluhr an der Kabinenwand. Sie zeigte 6 Uhr 45 an.
»Wir gehen in den Funkraum«, sagte er. »Wir sprechen mit Rotterdam. Oder vielmehr: Sie sprechen mit Rotterdam.«
27 Seemeilen östlich der Freya verblaßten im Licht der höhersteigenden Sonne die gelben Gasfackeln, die Tag und Nacht über den Ölraffinerien von Chevron, Shell und BP im Europort brennen. In der Nacht waren von der Brücke der Freya aus diese Fackeln zu sehen gewesen – und weit dahinter sogar der kalte bläuliche Schein der Straßenbeleuchtung von Rotterdam.
Die Raffinerien und das Labyrinth des Euroports, des größten Ölhafens der Welt, liegen am Südufer der Maasmündung. Am Nordufer liegt Hoek van Holland mit seinem Fährhafen und der Leitstelle Maas Control, über der sich tagein, tagaus die Radarschirme drehen.
In der Nacht zum 1. April hatte Bernhard Dijkstra die Wache in der Maas Control übernommen. Um 6 Uhr 45 reckte er sich gähnend. Um 7 Uhr war sein Dienst zu Ende, und er konnte zum Frühstück nach Hause fahren. Anschließend wollte er ein bißchen schlafen und dann von seiner Wohnung in Gravenzande herüberkommen, um das Einlaufen des neuen Supertankers mitzuerleben. So etwas passierte schließlich nicht alle Tage!
Als habe jemand seine Gedanken erraten, drang in diesem Augenblick eine Stimme aus dem Lautsprecher vor ihm.
»Maas Control,
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