Des Teufels Kardinal
an der Sperre haltenden Wagen. Zwei weitere Polizisten standen am Straßenrand und beobachteten den Ablauf der Kontrolle.
Jetzt wurde der Lancia vor ihnen durchgewinkt, und Harry legte den ersten Gang ein. Der kleine Lastwagen ruckelte vorwärts und 277
kam erst zum Stehen, als einer der Carabinieri zur Seite gesprungen war und Harry zugebrüllt hatte, er solle anhalten.
»Jesus!«
Die Carabinieri traten von beiden Seiten an den Wagen.
Harry sah zu Elena hinüber. »Reden Sie mit ihnen. Sagen Sie irgendwas.«
»Buon giorno.« Der Carabiniere starrte Harry sichtlich aufgebracht an.
»Buon giorno.« Harry lächelte, und Elena legte wie ein Maschi-nengewehr los. Sie deutete abwechselnd auf sich und Harry und ihren Lastwagen und sprach mit beiden Carabinieri gleichzeitig. Fünfzehn Sekunden später war alles vorbei. Die Uniformierten traten zurück, grüßten zackig und winkten sie durch. Mit krachendem Getriebe und einer lauten Fehlzündung fuhr Harry an, während die vier Polizeibeamten sich wegen der blauen Qualmwolke abwandten.
Harry beobachtete sie im Rückspiegel, dann wandte er sich an Elena.
»Was haben Sie ihnen erzählt?«
»Daß wir uns den Wagen geliehen haben, weil wir zu einer Beerdigung wollen, und schon spät dran sind… Hoffentlich stimmt das nicht wirklich.«
»Das hoffe ich auch.«
Harry konzentrierte sich wieder auf die Straße, die vor ihnen anzu-steigen begann, und warf instinktiv noch einen Blick in den Rückspiegel. Aber er sah nichts außer der Straßensperre, an der ein Auto nach dem anderen kontrolliert und durchgewinkt wurde.
Dann ein rascher Blick zu Elena hinüber. Sie sah schweigend nach vorn und wirkte nachdenklich. Plötzlich erwiderte sie seinen Blick, als sei sie Gedankenleserin und wisse genau, was er fragen wollte.
»Die Pflege Ihres Bruders ist mir von meinem Konvent aufgetragen worden.«
»Heißt das, daß Sie gewußt haben, wer er war?«
»Nein.«
»Hat Ihr Konvent es gewußt?«
»Das weiß ich nicht.«
»Sie wissen es nicht?«
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»Nein.«
Harry schaute wieder nach vorn. Inzwischen wußte sie jedenfalls wer Danny war. Und obwohl sie auch wußte, wer er war, hatte sie alle möglichen Strafen riskiert, um sie durch die Straßensperre der Polizei zu schleusen.
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen, die Ihnen vielleicht dumm vor-kommen wird? Warum tun Sie das alles?«
»Das habe ich mich auch schon gefragt, Mr. Addison.« Sie sah die Straße entlang und dann wieder zu ihm hinüber. Der Blick ihrer braunen Augen war plötzlich intensiv durchdringend.
»Sie sollten wissen, daß ich in Bellagio eigentlich zur Polizei gehen wollte, um ihr von Ihnen und Ihrem Bruder zu erzählen. Und ich hätte es auch getan, wenn nicht… Der Tote, den Polizeitaucher vor Ihrem Hotel aus dem See geholt haben, hat mitgeholfen, Ihren Bruder in sein jetziges Versteck zu bringen. Er hatte erst vor wenigen Stunden erfahren, daß seine Frau ermordet worden war, und wollte sofort nach Hause.« Elena schwieg, als sei die Erinnerung an das Geschehen zu grausig. Dann atmete sie tief durch und sprach weiter.
»Es hat geheißen, er sei ertrunken. Ob das stimmt, weiß ich nicht.
In seiner Begleitung sind zwei weitere Männer gewesen. Ich weiß nicht, wo sie sind oder was ihnen zugestoßen ist. Darum habe ich den Entschluß gefaßt…«
»Welchen?«
Elena zögerte kurz. »In bezug auf meine eigene Zukunft, Mr. Addison. Gott hat mir aufgetragen, Ihren Bruder gesund zu pflegen. Das ist meine Aufgabe, bis er mich wieder davon entbindet. Deshalb ist mir die Entscheidung leichtgefallen.« Sie sah wieder geradeaus.
»Hinter den Bäumen dort vorn zweigt eine Forststraße nach rechts ab. Die nehmen Sie bitte.«
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10.15 Uhr
Edward Mooi stand mit seinem Badetuch in der Hand nach einem Bad tropfnaß da.
»Wer sind Sie, was wollen Sie?«
Er hatte nicht gehört, wie die Tür geöffnet wurde, und wußte nicht, wie der blonde Mann in Jeans und einer leichten Jacke ins Verwalterhaus gekommen war. Oder wie er an den Beamten der Gruppo Cardinale vorbeigekommen war, die noch immer auf dem Gelände herumschnüffelten. Oder wie er überhaupt in den Park der Villa Lorenzi gekommen war.
»Ich möchte, daß Sie mich zu dem Priester bringen«, antwortete der junge Mann ruhig.
»Verschwinden Sie! Sofort! Sonst rufe ich unseren Sicherheitsdienst!« Edward Mooi wickelte sich aufgebracht das Badetuch um die Hüften.
»Das glaube ich nicht.« Der Blonde zog etwas aus der Jackentasche und legte es auf den
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