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Des Teufels Kardinal

Des Teufels Kardinal

Titel: Des Teufels Kardinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Folsom
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besuchen.«
    An dieser Stelle machte Pater Bardoni den Fehler, rasch und ver-stohlen zu Farel hinüberzusehen. Es war eine hastige, impulsive Reaktion, als wolle er feststellen, ob Farel wirklich ganz auf Palestrinas Seite stand und die Inhaftierung Marscianos billigte. Farels kalter, leidenschaftsloser Blick ließ keinen Zweifel daran, daß er das tat.
    Dann hatte Bardoni sich wieder in der Hand und wandte sich empört an Palestrina.
    »Wollen Sie damit etwa andeuten, ich wüßte, wo er ist? Und ich könnte ihm diese Nachricht übermitteln? Ich könnte irgendwie dafür sorgen, daß er in den Vatikan kommt?«
    »Eine Schachtel wird geöffnet«, sagte Palestrina leichthin. »Eine Motte fliegt heraus. Wohin flattert sie? Das fragen sich viele Leute, die Jagd auf sie machen. Aber sie wird nie gefunden, weil sie im letzten Augenblick davonfliegt, nochmals wegflattert und zum dritten Mal weiterfliegt. Sehr schwierig, wenn sie doch krank oder verletzt ist. Außer sie findet Helfer. Irgendwelche Sympathisanten, vielleicht ein berühmter Schriftsteller oder jemand aus dem Klerus. Sie wird von sachkundiger, zarter Hand gepflegt. Vielleicht von einer Nonne, einer Krankenschwester oder einer Kombination aus beiden.
    Zum Beispiel von Schwester Elena Voso aus Siena.«
    Pater Bardoni ließ keine Reaktion erkennen. Er blickte Palestrina nur ausdruckslos an, als habe er keine Ahnung, wovon der rede. Das war ein bewußter Täuschungsversuch, um seinen vorhin gemachten Fehler zu tarnen, aber er wußte genau, daß es dafür längst zu spät war.

    350
    Der Kardinal beugte sich nach vorn. »Pater Daniel soll heimlich kommen. Er darf mit niemandem reden. Sollte er unterwegs geschnappt werden, behauptet er einfach der Polizei, den Medien und sogar Taglia oder Roscani gegenüber, sich an nichts erinnern zu können.«
    Pater Bardoni wollte protestieren, aber der Sekretär des Auswärtigen hob eine Hand, um ihm Schweigen zu gebieten, und sprach mit gerade noch hörbarer Stimme weiter:
    »Sie verstehen hoffentlich, daß Kardinal Marscianos Geisteszustand sich mit jedem Tag verschlechtern wird, an dem Pater Daniel nicht kommt. Und sein Gesundheitszustand wird sich parallel dazu verschlechtern. Bis ein Punkt erreicht ist, an dem«, er zuckte mit den Schultern, »kaum noch an Rettung zu denken ist.«
    »Eminenz«, antwortete Pater Bardoni knapp, »Sie sprechen mit dem falschen Mann. Ich weiß nicht besser, wo Pater Daniel ist oder wie er zu erreichen wäre, als Sie selbst.«
    Palestrina starrte ihn einen Augenblick an, dann machte er das Kreuzeszeichen. »Che Dio ti protegga«, sagte er dabei. Gott behüte dich.
    Farel ging sofort zur Tür und hielt sie auf. Pater Bardoni zögerte kurz, dann stand er auf und ging an Farel vorbei hinaus.
    Der Kardinal beobachtete, wie die Tür geschlossen wurde. Der falsche Mann? Nein, das war Pater Bardoni nicht. Er war Marscianos Kurier, hatte schon immer seine Aufträge ausgeführt. Er hatte Pater Daniel nach dem Busattentat aus einem der umliegenden Krankenhäuser geholt, ihn nach Pescara bringen lassen und seither seine schützende Hand über ihn gehalten. Ja, sie hatten ihn verdächtigt, ihn beschattet, sein Telefon abgehört und ihn sogar in Verdacht, in Mailand das Tragflügelboot gechartert zu haben. Bisher hatten sie ihm nichts nachweisen können, aber vorhin hatte er sich durch seinen Blick zu Farel verraten.
    Palestrina wußte, daß Marsciano es verstand, bei seinen Mitarbeitern starke Loyalität zu wecken. Und wenn Marsciano soviel Vertrauen zu Pater Daniel gehabt hatte, daß er bei ihm gebeichtet hatte, würde er auch darauf vertraut haben, daß Pater Bardoni ihm helfen 351
    würde, den Amerikaner zu retten. Und Pater Bardoni würde ihn nicht enttäuscht haben.
    Deshalb war er nicht der falsche Mann, sondern genau der richtige.
    Deshalb war Palestrina sich sicher, daß seine Nachricht ankommen würde.
    3.00 Uhr
    Palestrina saß an dem kleinen Schreibtisch in seinem Schlafzimmer.
    Er trug Sandalen und einen Schlafrock aus scharlachroter Seide, in dem er mit seinem riesigen Körper und seiner weißen Mähne wie ein römischer Imperator aussah. Vor ihm lagen die Frühausgaben der weltweit größten Tageszeitungen, die alle über die tragischen Ereignisse in China berichteten. Rechts von ihm lief in einem kleinen Fernseher eine Liveübertragung des World News Networks aus Hefei, in der gezeigt wurde, wie Soldaten der Volksbefreiungsarmee in die Stadt einrückten. Sie sollten beim Abtransport der Opfer

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