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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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als ich noch Zimmermann war – kennengelernt habe. Bei dem finden wir sicherlich Unterschlupf. Und so klug, wie der gute Puck ist, wird er nicht lange auf sich warten lassen, deine spur verfolgen, Balthasar, und schon bald vor der Tür stehen. Was meinst du, Anna, wollen wir einige Tage in Nördlingen bleiben?«
    Anna war einverstanden. Ob sie nun in Ellwangen, Nördlingen, Herrsching oder weiß der Kuckuck wo seien, so dachte sie, finden würde dieser Teufel sie überall. Es war so ruhig gewesen den ganzen Winter und das bisherige Frühjahr über. seit der Hund bei ihnen war, war nichts Ungeheuerliches mehr geschehen. Und jetzt das.
    Dieser Prophet hatte von ihm gesprochen, von einem Tier war die Rede, aber er hatte ihn gemeint, den Mörder. Es war doch so? Oder bildete Anna es sich nur ein? Es sei gewesen und sei jetzt nicht mehr, werde aber aus dem Abgrund wieder aufsteigen und dann ins Verderben gehen. So ähnlich waren die Worte des weißen Mannes gewesen. Sollte das eine Warnung sein oder gar eine Drohung? Anna war verwirrt. Und nun war auch der Hund weg. So ein treuer Hund lief nicht einfach davon. Er musste einen Grund dafür gehabt haben.
    Wer immer dieser Wanderprediger war und was immer er mit seinen Worten bezwecken wollte – bei Anna Pippel hatte er bewirkt, dass sie glaubte, wieder verfolgt zu werden. Verfolgt von einer Geschichte, in der sie, warum auch immer, eine entscheidende Rolle spielte.
    Anna überlegte, ob es klug wäre weiterzuziehen. Genauso gut könnte sie in ihr Dorf zurückkehren. Sicher wäre sie nirgendwo, aber vertraut wäre es ihr dort allemal. Sie wollte darüber nachdenken, und deshalb kam ihr der Vorschlag Mergels, in Nördlingen zu verweilen, ganz recht.
    Es war jedoch zu befürchten, dass sich nach all den vielen Jahren dieser besagte Gerber nicht mehr finden ließe. Zwar hatte der Krieg die stadt Nördlingen bislang unbeschadet gelassen, doch konnte der Mann, wenn er denn im Alter des lieben Hans war, schon längst das Zeitliche gesegnet haben. Anna rechnete nicht damit, dass sie ihn finden würden. Doch da hatte sie sich getäuscht.

XX

    Vitus Hasenmann arbeitete nach wie vor, obwohl er bald siebzig Jahre zählte, als Gerbergeselle. Seinen Arbeitsplatz hatte er, zusammen mit zahlreichen weiteren Gesellen und Lehrbuben seiner Zunft, in einem riesengroßen blauen und übel riechenden Haus unweit der Stadtmauer. Es war nicht schwierig gewesen, ihn ausfindig zu machen, denn das Gerberquartier dieser Stadt war ausgesprochen groß und Vitus Hasenmann vor Ort eine Institution. Zumindest unter den Handwerkern, und das aus einem einfachen Grund: Er war genauso wie sein Freund Hans Mergel.
    Auch er erzählte gern Erlebtes und Erfundenes, machte daraus, sich heimlich die künstlerische Freiheit eines Dramaturgen nehmend, eine bunte Mischung aus Dichtung und Wahrheit und scharte somit fast allabendlich zahlreiche Zuhörer um sich. Ähnlich seinem Begleiter aus einstigen Tagen strahlte auch Hasenmann eine Liebenswürdigkeit aus, die es einem leichtmachte, ihm seine kleinen Flunkereien zu verzeihen. Waren doch gerade sie das Salz in seinen Erzählungen, wie er gerne nach ein paar Schoppen Wein selber zugab.
    Sobald sich die beiden alten Männer wiedergefunden, wiedererkannt und wiedervereint hatten, wusste Anna, dass dieser Aufenthalt von längerer Dauer sein würde. Sie richtete sich darauf ein. Denn das weiträumige Haus, welches auch über einige Kammern für Wandergesellen verfügte, war durchaus wohnlich. Wäre da nicht dieser gleichbleibend schreckliche Geruch gewesen, ein Gemisch aus Verwesung, Urin und ätzenden Tinkturen, der jedoch zu einem Gewerbe wie dem des Gerberhandwerks dazugehörte.
    Der Juli war bereits angebrochen, und sie waren noch immer in Nördlingen. Anna hatte die Zeit genutzt, um darüber nachzudenken, wohin sie ihr Weg nun führen sollte. Und sie war zu dem Schluss gekommen, weiter zum Gramshuber-Hof zu ziehen. Davon ließe sie sich nun nicht mehr abbringen. Von einem heimlichen Helfer oder gar einem heimtückischen Mörder gab es nicht die geringste Spur, alles hatte sie sich nur eingebildet. Denn hier, in dieser Stadt, in der sie nun seit Monaten verweilten, war nichts, rein gar nichts Dubioses vorgefallen. Anna war sicher, dass sie allein waren, umgeben nur von freundlichen Gerberburschen und deren Lederhäuten, die überall im Haus eingelegt oder aufgehängt zu finden waren und in der Sommerhitze einen mittlerweile unglaublichen Gestank verbreiteten. Sie war

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