Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
Donauwörth als Pfand vermacht. Maximilian hat ihm dafür das Heer bezahlt.
Und was macht der katholische Bayer und neue Herr von Donauwörth? Er verbietet den Protestanten ihren Glauben. Durften nicht mal mehr in ihre Kirchen gehen.
Das Ende vom Lied war: Die Großen in diesem Lande, die ja bekanntlich auch entweder Papisten oder Evangelen sind, haben sich über diesen Vorfall so sehr gestritten, dass sich zwei Lager gebildet haben, die protestantische Union und die katholische Liga.
Jetzt ratet mal, wer in diesem Krieg, der gerade eine Pause macht, gegen wen kämpft? Na? Die Union gegen die Liga. Na ja, nicht ganz, denn die Union ist mit Friedrich von der Pfalz untergegangen. Haben alle ihre Schwänze eingezogen, die evangelischen Fürsten, nachdem die Spanier den Pfälzer in seinem eigenen Land ordentlich verprügelt hatten. Nicht wörtlich, ihm selbst wurde kein Haar gekrümmt, aber seinem Volk. Daran kann sich Balthasar nur allzu gut erinnern. Aber die Liga gibt’s noch. Das Heer wird von Tilly geführt, wisst ihr ja.
So, und wenn ihr mehr hören wollt, dann dürft ihr mir jetzt Fragen stellen.«
Unterdessen hatte Mergel in etwa zwei Dutzend Fliegen, die es sich auf seinem Filzhut bequem gemacht hatten, eine aufmerksamere Schar an Zuhörern gefunden als in Anna und Balthasar, die dankend auf eine Fortsetzung der Ausführungen verzichteten.
In der Stadt Donauwörth, welche sie noch am selben Abend erreichten, herrschte aufgeregtes Treiben. Obwohl es längst Zeit zum Abendessen war, standen die Menschen auf den Straßen und tuschelten miteinander.
Es hatte sich das Gerücht verbreitet, dass die Schweden tatsächlich auf deutschem Boden gelandet seien. Noch ganz im Norden zwar, also Hunderte von Meilen und Monate von Tagesmärschen entfernt. Doch sie schienen da zu sein und sich auf einen Krieg gegen den Kaiser vorzubereiten.
Es freute die Menschen offenbar, dass der Krieg nun weitergehen würde, so hatte Anna den Eindruck. Und nach dem, was der alte Mergel heute Nachmittag erzählt hatte, auch wenn sie ihm nur halbherzig zugehört hatte, hatte die Mehrzahl der Bürger Donauwörths auch allen Grund dazu. Hofften sie doch, endlich die strenge Herrschaft des bayerischen Kurfürsten Maximilian abschütteln zu können und wieder zu einer mehrheitlich protestantischen, freien Reichsstadt zu werden.
Anna freute sich keineswegs über diese Nachricht. Sollten sie etwa diesen ganzen weiten Weg völlig umsonst gemacht haben, wenn der Krieg jetzt weiterging und auch hier in Bayern erwartet wurde? Sie hatte keine Lust mehr, verfolgt zu werden, nicht von Mördern mit Sanduhren und auch nicht vom Krieg. Sie wollte nur eines: endlich Ruhe und Frieden.
Die Gerüchte von der Landung der Schweden verdichteten sich Ende Juli, als die drei die Stadt Augsburg erreicht hatten. Dort, in dieser ehemals protestantischen Hochburg, die nun ebenfalls von dem bayerischen Kurfürsten aufs Ärgste traktiert wurde, waren längst Flugschriften im Umlauf, von denen Hans Mergel eine in die Hände fiel.
Auf dem Blatt war zu sehen, wie ein großer Mann mit einem schönen Bart in königlicher Haltung von einem Boot stieg. Der Löw’ aus Mitternacht sei auf der Insel Usedom gelandet, so las Mergel vor, und mit ihm eine Schar von nicht weniger als 15 000 Kriegern. Er werde den Adler – damit sei der Kaiser gemeint, so Mergel – bekämpfen und besiegen. Durch ihn werde der protestantische Glaube befreit und könne einen erneuten Siegeszug in Deutschland antreten. Und so weiter und so fort.
Anna verstand nur die Hälfte all dessen, was der alte Mann vorlas, doch eines verstand sie genau: Es war mit sicherheit nur noch eine Frage der Zeit, bis alles von vorn losging.
Und als Balthasar am nächsten Tag, nach einem seiner berüchtigten Streifzüge, mit der Nachricht in ihre Augsburger Herberge kam, dass Wallenstein mit einem Großteil seines Heeres bereits seit mehr als einem Monat im nicht weit gelegenen Memmingen lagerte, da war sich Anna gewiss, dass sie dem Krieg nicht würde entfliehen können. Es war ihr schicksal, davon verfolgt zu werden. Allein, sie hoffte, man werde ihr wenigstens noch einige Zeit Aufschub gewähren, damit sie sich im schönen Bayern, auf dem großen und sauberen Hof der Gramshuberin, bei redlicher Arbeit erholen könne.
»In Memmingen also«, staunte Mergel. »Dann sind die gleichsam neben uns hermarschiert, und wir haben nichts davon bemerkt. Wobei wir ja auch ganz ordentliche Umwege gemacht haben wegen dir, mein
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