Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
eine Zeit, bis sich endlich städtische Ordnungshüter einfanden, die dem spektakel ein Ende setzten. Doch anstatt die Rüpel zu bestrafen, schickten sie diese, wahrscheinlich aus Angst vor deren mächtigen Vätern, nur nach Hause in ihre Betten. Den lieben Hans hingegen brachten sie auf einem Leiterwagen, ganz so wie er war, nämlich nackend, vor die Tore der Stadt. Dort setzten sie ihn aus und wiesen ihn an, ihre Stadt nie mehr in seinem Leben zu betreten.
Und am Nachmittag – auch ich musste einen gehörigen Rausch ausschlafen – fand ich meinen guten Freund dort. Er hatte sich hinter einem Busch verborgen und seine Blöße notdürftig mit einem Zweig verdeckt. Ganz so, wie man sich unseren stammvater Adam im Paradiese vorstellen muss.
Ja, liebe Anna, und deshalb wollte Hans nicht mit euch in die stadt Frankfurt einziehen.«
Die Geschichte amüsierte alle Anwesenden köstlich – alle bis auf Anna, die sich aus Anstand mit dem Lachen zurückhielt, und natürlich Hans Mergel, welcher, hätte er gekonnt, aufgestanden und fortgegangen wäre. Mit vor Scham und Wut hochrotem Kopf saß er da und schwieg. Nicht einmal an den Stellen, an denen sein Freund die Unwahrheit erzählt oder hemmungslos übertrieben hatte, war er eingeschritten. Er schwieg und beschloss, sich gleich am nächsten Tag ohne einen Abschiedsgruß auf- und davonzumachen. Allein, ohne Anna und den Jungen.
Daraus wurde nichts, da Anna ihm noch am selben Abend vorschlug, ihre Reise so bald wie möglich gemeinsam fortzusetzen. Und so kam es, dass sie tatsächlich in aller Frühe aufbrachen und das friedlich schlummernde Nördlingen, welches noch nichts von alldem ahnte, was ihm im Verlauf des weiteren Krieges widerfahren sollte, hinter sich ließen.
In glühender Hitze ging es Richtung Donauwörth. Hans Mergel, der auf dem Pferdewagen saß, hatte sich einen nicht gerade ansehnlichen, aber dafür zweckdienlichen Sonnenschutz aus zusammengenähten Lederflicken gemacht, die er seinem Freund Vitus Hasenmann aus Wut entwendet hatte. Nicht nur das: Der Alte hatte sich, trotz seines Alters und seines fehlenden Beines, in der Nacht vor seinem Aufbruch in die Speisekammer des Gerberhauses geschlichen und dort alles mitgehen lassen, was er tragen konnte. Und das war erstaunlich viel.
Nun saß er also unter seiner Schatten spendenden Konstruktion, während Anna und Balthasar in der brütenden Hitze neben dem Wagen herliefen. Doch Hans Mergel hatte, mehr als selbst das Pferd, mit Unmengen an Fliegen zu kämpfen, die ihm das Leben nicht ganz so angenehm machten, wie er es sich gewünscht hätte.
Während Mergel gegen die Fliegen kämpfte, war Balthasar weiterhin enttäuscht. Puck war nicht zurückgekehrt, und langsam fand auch Anna keine aufmunternde Erklärung mehr für ein baldiges Auftauchen des Hundes. Selbst die Aussicht, im nahen Donauwörth einen neuen, jungen Hund aufzutreiben und mitzunehmen, stimmte den Jungen nicht fröhlicher. Er wollte Puck und nur diesen.
Mit der Erwähnung der Stadt Donauwörth hatte man dem Geschichtenerzähler Mergel ein Stichwort geliefert, welches ihn geradezu zwang, wieder einmal einen Teil seines umfangreichen Wissens preiszugeben.
»Ja, ja, dann zieht es uns also nach Donauwörth. Streng genommen fing ja nicht in Prag, sondern hier der Krieg an, und zwar bereits im Jahre 1606. Damals war die Stadt noch frei, jeder durfte selbst bestimmen, ob er am Sonntag lieber in die evangelische oder in die katholische Kirche gehen wollte.
Die meisten dort waren allerdings Protestanten, und die waren gar nicht zimperlich, wenn es darum ging, den Papisten ihren Prunk und ihre Zeremonien auszutreiben. Verprügelt haben sie die einfach, selbst katholische Geistliche haben sie beschimpft. Und auf Abgesandte des Kaisers, die für Ruhe sorgen sollten, wurde erst gar nicht gehört. War ein ganz schön aufrührerisches Völkchen, diese Donauwörther Evangelen.
Und was macht der Kaiser, wenn ihm etwas gegen den Strich geht? Na, Balthasar, was macht er da?
Er verhängt die Reichsacht und lässt Soldaten einmarschieren. Einer hat sich darüber ganz besonders gefreut: der gute Maximilian von Bayern. Den gab es damals schon. Und er hat es auch damals schon verstanden, sich alles, was er gut gebrauchen konnte, unter den Nagel zu reißen. Und Donauwörth konnte er ganz gut gebrauchen.
Weil der Kaiser nämlich nicht viel Geld hatte – ist heute ja bekanntlich auch nicht anders -, hat er dem Bayernherzog, der inzwischen Kurfürst ist, die Stadt
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