Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
bist du ein zu lieber, guter Mensch, Hans, nicht wahr?«
»So ist es, Liese, so ist es. Gesunder Menschenverstand und ein bisschen Kombinationsgabe, das sind meine Fähigkeiten.«
»Was meinte denn der Pastor wohl damit, dass in deiner Umgebung seltsame Dinge geschehen, Liese?«, fragte Anna frei heraus. Sie hatte sich zunächst vorgenommen, diesen Teil des Gesprächs zu verheimlichen, doch nun war die Frage gestellt und löste zunächst entsetzte sprachlosigkeit aus.
»Hat er das gesagt?«, schrie Liese schließlich nach einer Minute des schweigens. Anna nickte.
»Diese Drecksau, dieser schleimige Hundesohn …« Liese wurde noch rabiater und entwickelte im Erfinden scheußlichster Beschimpfungen eine unglaubliche Fantasie. Danach jedoch – es waren etwa zwanzig unaussprechliche Neubildungen aneinandergereiht worden – wurde ihre stimme wieder leiser und versöhnlicher.
»Er meint natürlich die Morde, Anna. Der Rumormeister, der dicke Spengel, der hier für die Sicherheit im Tross zuständig ist, glaubte einmal, dass alle Frauen, die es bisher erwischt hat, vorher irgendetwas bei mir gekauft hätten. Das stimmt überhaupt nicht. Doch wenn so eine Behauptung erst einmal steht, dann haftet die einem an wie eine Schmeißfliege. Das hätte mich beinahe in den Ruin getrieben. Als Hexe wurde ich beschimpft, und die Kundschaft ist ausgeblieben. Doch zum Glück besitze ich ein eisernes Herz und konnte mich gegen all die Demütigungen und Anfeindungen wehren und meinen Ruf, so gut es ging, wiederherstellen. Zwar kaufen nicht mehr so viele Weiber wie früher bei mir, aber dafür habe ich mich jetzt halt mehr auf die Kerle spezialisiert. Man muss sich schnell anpassen in diesen Zeiten, Anna, sonst geht man unter.«
»Du brauchst dich wirklich nicht vor Liese zu fürchten, Anna. sie verspritzt zwar gerne Gift, aber damit schützt sie nur sich selbst und all die, die ihr am Herzen liegen. Im Grunde ist sie eine seele von Mensch«, legte der alte Mergel ein gutes Wort für seine Begleiterin ein.
»Ja, das glaube ich auch«, pflichtete ihm Anna schnell bei, und tatsächlich konnte sie sich nicht vorstellen, dass ausgerechnet Liese mit all den schrecklichen Dingen in Zusammenhang stand. Dann hätte es der Herrgott wirklich nicht gut mit ihr, mit Anna Pippel, gemeint, wenn er sie direkt in die Arme der Mörderin ihrer Schwester getrieben hätte.
VI
Zwei Wochen lagerte das riesige Heer in der Nähe der Stadt Hameln an der Weser. seine Kommandeure warteten auf einen Wink ihres Generals Wallenstein, der sich in seinem Halberstädter Quartier in Verhandlungen mit den Magdeburgern befand. Es hatte mehr und mehr den Anschein, dass die Belagerung der stadt Magdeburg einem unblutigen Ende zusteuerte, denn Wallenstein war geneigt, einen Kompromissfrieden mit den Stadtoberen zu schließen. Die Hilfe seines an der Weser stationierten Regiments würde er in einem solchen Fall nicht benötigen.
Seit Mai herrschte nun der Frieden von Lübeck, und er sollte diesen nun elf Jahre währenden Krieg beenden. Im Lager fürchtete man, dass dies wahr sein könnte. Obwohl man des Umherstreifens, Kämpfens, Hungerns und Sterbens überdrüssig war, schaute ein jeder Soldat zusammen mit seinem Weib und seinen Kindern mit Bangen dem entgegen, was man Frieden nannte. Niemand in diesem Tross – nicht einmal mehr Anna, die ganz frisch hinzugekommen war – hätte gewusst, wie er sich in einem herkömmlichen Leben zurechtfinden sollte. Wohin, das dachte sich eine jede dieser vom Krieg abhängigen seelen, soll ich nur gehen, wenn Frieden ist?
Schließlich teilte sich der riesige Wurm in zwei Hälften, von der ein aus sechs Fähnlein bestehender Teil nun doch in den Norden des Reiches abberufen wurde. Es ging nicht mehr um Magdeburg, sondern um den schutz Wallensteinschen Eigentums. Der General hatte seine rein privaten Gründe, Norddeutschland in Schach zu halten, war er doch frisch ernannter Herzog von Mecklenburg und hatte sich dadurch insbesondere bei seinen neuen Nachbarfürsten und -städten nicht unbedingt beliebter gemacht. Ein ganzes Regiment wollte er nicht beherbergen, doch einige zusätzliche Fähnlein zur Abschreckung neidischer Gemüter konnte man immer in seiner Nähe gebrauchen. Der Tross, als nimmersatter Anhang, war nur in seinen militärisch notwendigen Teilen erwünscht. Huren, Händler und Radaubrüder mussten sich den restlichen vier Fähnlein anschließen, welche nach Westfalen zurückgeschickt wurden.
Man zog die Weser
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