Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
Vom Netzwerk:
roten Schimmer. Fenster gab es so gut wie keine, denn dieses schlichte Gotteshaus besaß lediglich kleine Schlitze im Mauerwerk, durch die Luft, jedoch kaum Helligkeit einströmen konnte. Der einzige Lichtstrahl kam durch die geöffnete Tür, und da die Dämmerung zügig voranschritt, hatten die beiden Frauen nicht mehr viel Zeit, sich an diesem Ort aufzuhalten, wollten sie nicht plötzlich im Finstern stehen.
    »Ich dachte, du hättest ihn auf dem Friedhof gesehen«, flüsterte Anna.
    »Ja, ja, aber er ist zur Kirche gegangen. Vom Friedhof in die Kirche. so und nicht anders, verstehst du? So und nicht anders …«
    »Ist ja schon gut. Ich glaube dir«, versuchte Anna schnell einen weiteren hysterischen Anfall ihrer Begleiterin im Keim zu ersticken.
    sie standen nun mitten in der kleinen Kirche, und es war nicht viel zu sehen. Vorne im Altarraum konnten sie ein recht gro ßes, freistehendes hölzernes Kreuz erblicken, und davor befand sich der einfache Altar. Das war alles – kein Tabernakel, kein Schmuck, keine Blumen, keine Bilder, man hatte offenbar alles in sicherheit gebracht, oder es war bereits geraubt worden.
    Ruckartig drehte Therese sich um und ging wieder zielsicher auf eine Leiter zu, die in den Glockenturm führte.
    »Da müssen wir hoch.«
    »Aber wir haben doch kein Licht«, versuchte Anna sie abzuhalten.
    »Ich kann auch im Dunkeln sehen.«
    Anna glaubte dieser Behauptung nicht und entschied sich, Therese allein machen zu lassen, was sie wollte. sollte sie sich doch den Hals brechen, wenn sie mit ihrem dicken Bauch diese klapprige Leiter hinaufstieg. sie jedoch würde nun kehrtmachen und sich auf die suche nach Mergel und Lumpenliese begeben.
    »Du wartest, und ich gehe«, befahl die Verrückte, und aus irgendeinem Grund gehorchte Anna. Ihren Fluchtplan vergessend, stand sie nun am Ende der Leiter, hielt das morsche Gestänge fest und beobachtete, wie Therese, sprosse für sprosse erklimmend, im finsteren Turm verschwand.
    Während sich ihre Begleiterin im Turm zu schaffen machte, bemerkte Anna, dass man auch unten in der Kirche trotz geöffneter Tür mittlerweile kaum noch die Hand vor Augen sehen konnte. Zitternd vor Furcht und vor Kälte, begann sie also mit dem, was sie schon so oft getan hatte: sie wartete und zählte.
    Zunächst fiel es ihr nicht auf, weil sie selbst zu sehr auf die Ziffern konzentriert war, die laut aus ihrem eigenen Mund kamen. Doch dann, als sie verstummte, um zu lauschen, ob sie sich täuschte oder nicht, da war es deutlich zu hören. Dort winselte ein junger Hund. Hier irgendwo in der Kirche, unten im Kirchraum – und nicht dort oben, wo Therese war – winselte ein kleiner Hund. Heiß und kalt durchlief es Anna, stocksteif blieb sie stehen, wo sie war, und bemerkte nicht einmal, dass ihre Nägel brachen, als sie ihre Finger immer tiefer in das Holz der Leiter bohrte. sie wollte nach Therese rufen. Doch ganz so, wie man es in einem schrecklichen Albtraum erlebt, brachte sie keinen Ton über ihre Lippen, obwohl sie sie bereits zu einem Schrei geöffnet hatte.
    Endlose sekunden vergingen, in denen das Winseln des Hundes gleichförmig den kleinen Kirchraum erfüllte. Dann, mit einem Mal, verstummte das Tier, und Anna bemerkte aus dem Winkel ihrer weit geöffneten Augen, dass sich rechts von ihr im Altarraum ein Schatten bewegte. Im roten Schein des ewigen Lichtes waren deutliche Umrisse zu erkennen, ein Wesen in gebückter Haltung mit einem Bündel unter dem Arm huschte dort hinter dem Altar hervor und bewegte sich unglaublich schnell auf sie zu.
    Und da entfuhr er ihr, der Schrei. Aus Leibeskräften und so laut und schrill, wie sie es nie in ihrem Leben von sich selbst gehört hatte, schrie Anna. Es war Todesangst, denn sie war überzeugt, dass der leibhaftige Teufel mit Hörnern und Pferdefuß nun nicht mehr davon abzuhalten war, sie zu seinem nächsten Opfer zu machen.
    Doch dieser huschte, durch ihren Schrei nur noch mehr angetrieben, in Windeseile an Anna vorbei und war im Nu durch die Tür ins Freie vershwunden.
    Schrecklich, schrecklich, geh weg, geh weg. Fort mit dir, fort mit dir. Wieso verschwindet er nicht, dieser schlimme Laut. Hallt immer fort, wiederholt sich im Ohr, will gar nicht verklingen.
    Warum musste denn die Frau so schreien? Das war gar nicht schön. Man hat ja ganz furchtbare Angst dadurch bekommen, und das Hündchen auch. Es hat auch furchtbare Angst bekommen. so darf die Frau nicht schreien.
    Singen soll sie. Singen. Schön singen. Nicht

Weitere Kostenlose Bücher