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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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der Schrecken kehrte augenblicklich zurück, als sich plötzlich eine große Hand schwer auf ihre schulter legte. Anna versteifte sich am ganzen Körper und kniff die Augen zu. sie konnte heißen und nach Zwiebeln stinkenden Atem an ihrem Hals spüren, und dann hörte sie eine ihr bereits bekannte Stimme sagen:
    »Habe dir doch versprochen, dass ich wiederkomme. Hast du es dir anders überlegt, kleine Bäuerin?«
    Der lange Kaspar konnte es scheinbar nicht lassen. Annas Furcht verwandelte sich augenblicklich in Abscheu. Zwar traute sie diesem Kerl alles zu, aber dass es sich bei ihm um den grausigen Frauenmörder handelte, das glaubte sie nicht.
    »Ich habe es mir nicht anders überlegt, will nichts von dir wissen. Lass mich einfach in Ruhe«, sagte sie leise, aber bestimmt.
    »Wie du meinst. Du musst bloß nicht glauben, dass du was Besonderes bist, du blöde Metze. Kannst froh sein, wenn man dich auch nur mit dem Arsch anguckt«, sagte er und begann sie am Arm hochzuziehen. Als Anna sich wehren wollte, holte Kaspar aus, um ihr mit seiner großen Hand, die wie bei einer Marionette an seinem dünnen Arm zu baumeln schien, mitten ins Gesicht zu schlagen. Doch im selben Moment traf ihn ein stein an der Schläfe, und er fiel wie ein großer dürrer Baum zu Boden.
    Anna stand wie vom Blitz getroffen vor ihm und konnte im Schein der unzähligen Feuer des unweiten Heereslagers sehen, wie ein winziger Blutfaden über das aschfahle Gesicht dieses unangenehmen Gesellen lief. sie war sich nicht sicher, ob er tot war. Als sie so dastand und noch keinen Gedanken daran ver-schwendet hatte, von wo und vor allem von wem ihr diese unerwartete Rettung zuteilgeworden war, vernahm sie plötzlich hinter sich ein Rascheln. Dort zog sich eindeutig ein Lebewesen fluchtartig in das pechschwarze Innere des Waldes zurück.
    Anna entschied sich umgehend, doch zu dem ausgelassenen Gelage zurückzukehren und Hilfe für ihren angeschlagenen Angreifer zu holen. Als sie nach wenigen Minuten zusammen mit dem alten Mergel zurückkam, war jedoch von Kaspar keine Spur zu sehen. Er war verschwunden und blieb es. Niemand bekam ihn wieder zu Gesicht, aber auch niemand vermisste ihn, sodass seine seltsame Erscheinung bereits nach wenigen Tagen in Vergessenheit geriet.
    Selbst die junge Verrückte – deren Name Therese lautete, wie Anna erst nach einiger Zeit erfuhr – schien nicht mehr an ihn zu denken. Obwohl sich die beiden mit großer Sicherheit häufiger als das eine Mal miteinander verlustiert hatten und obwohl sich an Thereses magerem Körper mittlerweile ein Bäuchlein abzuzeichnen begann.
    »Die weiß selbst nicht, wem sie das Balg anhängen soll. Da kommen der ganze Tross, das halbe Heer und selbst Dutzende von Bauern aus der Umgebung in Frage«, meinte Liese trocken, als Anna sie zwei Tage nach dem Verschwinden des langen Kaspar auf die Vaterschaft des Kindes ansprach. Und was Annas heimlichen Retter anbelangte, so konnte sich niemand wirklich erklären, wer das sein konnte. Mergel und Liese nahmen beide still und unabhängig voneinander an, dass Anna sich dieses Wesen ausgedacht hatte und schlicht und einfach selbst dafür verantwortlich war, dass der aufdringliche Kamerad so plötzlich auf Nimmerwiedersehen verschwunden war. Zwar war ihr das auf den ersten Blick nicht zuzutrauen, aber beide wussten, dass es in diesen Zeiten nichts gab, was unmöglich war.

V

    Anna verbrachte die Nacht nach dem Angriff doch wieder im Lager bei ihrer Wohltäterin Liese und machte sich am frühen Morgen auf an die Weser, um dort im Fluss Wäsche zu waschen. Sie hatte sich von denen, die es sich leisten konnten, ihr ein paar Kupfermünzen dafür zu geben, schmutzige Kleidungsstücke zusammengesucht und nahm sich nun vor, ihre eigene kleine Profession zu beginnen. Liese hatte nichts dagegen. Doch ließ sie sich dieses Einverständnis von Anna bezahlen, indem sie argumentierte, dass sie immerhin die wertvollen Kontakte zur Verfügung stelle und zudem den Arbeitsausfall Annas in der Zeit, wo sie waschen ginge, finanziell ausgleichen müsse. Die unschuldige Anna ließ sich alles gefallen, war sie doch nie etwas anderes gewohnt gewesen. Und so meckerte sie auch nicht, als Liese nicht mehr und nicht weniger als die Hälfte ihres Lohnes verlangte. Zwar schüttelte der alte Mergel den Kopf, als er davon erfuhr, doch er wagte es nicht, Ein-spruch zu erheben und damit ein großes Donnerwetter auszulösen.
    Anna machte sich also auf zum Ufer des Flusses. Es war nicht

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