Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
einfach, einen geeigneten Waschplatz zu finden, denn die Ufer der Weser waren bereits vollgestopft mit Waschweibern, die augenscheinlich dieselbe Idee wie Anna gehabt hatten. An die zweihundert Frauen, die sich trotz der unterschiedlichsten Mundarten blendend verstanden, hatten sich an den Fluss begeben. Es war eng und laut. Anna erinnerte es an das unlängst verstorbene Federvieh des Bauern Schulz, als dieses noch gesund und munter gackernd den Hof bevölkert hatte.
Obwohl die Sonne heiß vom Himmel schien, war der Boden am Waschplatz bereits von den vielen Füßen und schrubbvorgängen so matschig und aufgeweicht, dass Anna fürchtete, die Wäsche eher schmutziger als sauber zu machen. Ohnehin gab es kaum ein Durchkommen, denn hier herrschte der Ellenbogen. An einer Stelle jedoch war genügend Platz, weil die fünf oder sechs Frauen, die dort nebeneinandergehockt hatten, aufgestanden waren, ihre Sachen liegengelassen hatten und nun eine Traube um einen großen Mann bildeten, der mit angenehmer und ruhiger Stimme zu ihnen sprach. Was er sagte, konnte Anna nicht hören. Es interessierte sie auch nicht, denn sie nahm die Möglichkeit wahr und ließ sich einfach zwischen den Körben der Zuhörerinnen nieder, um mit ihrer Arbeit zu beginnen. Eine Dreistigkeit, die sie sich noch vor wenigen Tagen nicht im Traume erlaubt hätte.
»Was fällt dir ein, du dummes Stück«, hub auch sofort ein entsetzliches Geschrei an.
»Weg da!«
»So ein freches Biest.«
Wie Furien stürzten drei der Weiber plötzlich auf Anna zu, und sie glaubte bereits, dass sie ihr die Augen auskratzen würden, als der große Mann seine sanfte Stimme erhob und weiterhin ruhig, aber laut sagte: »Aber bitte, liebste Damen, warum so disgustiert? Diese Furi sind ganz unangebracht. Ihr werdet doch Humanitas genug besitzen, um der jungen Frau einen Platz zum Waschen freizugeben.«
Auf Anna zukommend, schaute er ihr mit gekonnt warmem Blick tief in die Augen und reichte ihr die Hand, um ihr aus dem Matsch zu helfen, in den sie der Schreck hineinkatapultiert hatte.
»Danke«, sagte Anna – die im Übrigen nicht ein Wort verstanden hatte – schüchtern errötend, senkte den Blick, um sich dann schnell und linkisch nach rechts zu drehen und ihre Sachen zu packen, die jedoch zu ihrer Linken standen. Es war ein schrecklich unangenehmer Augenblick. Roter als rot im Gesicht, kramte sie schließlich alles zusammen und wollte schnell davongehen.
»Ich möchte meinen, Ihr habt den falschen Korb genommen«, rief der hoch gewachsene Herr der davonstürmenden Anna hinterher, bückte sich, griff nach dem richtigen Korb und reichte ihn der Verstörten, die sich kurz nickend wieder auf und davon machen wollte. Der Mann jedoch war schneller, und es gelang ihm, Anna in ein Gespräch zu verwickeln, bevor sie fliehen konnte.
»Verzeiht die importune Frage, aber seid Ihr neu in diesem Tross?«
»Ja, das bin ich. Bin seit weniger als einer Woche dabei.«
»Nun, dann könnt Ihr auch nicht wissen, dass es hier einige selbst aufgestellte Conditiones gibt, die zu befolgen den Damen des Trosses von großer Importanz sind.«
Anna schüttelte nur verschüchtert und zugleich verwirrt den Kopf. Wovon, in Dreiteufels Namen, sprach dieser Mann?
»Kein Grund, sich zu tribulieren. Man benötigt gar ein Studium legum, um sich mit all den Partikularitäten eines solchen Heervolkes auszukennen«, lachte er und schaute Anna dabei äußerst charmant an. Diese hatte nach wie vor nicht die geringste Ahnung, was er da sprach.
»Ich werde morgen waschen«, sagte sie nur kurz, in der Hoffnung, mit diesem satz das unangenehme Gespräch zu einem Ende zu bringen.
Schon seit ihrer frühen Jugend wurde Anna jedes Mal dann von einer erschreckenden Schüchternheit ergriffen, wenn es darum ging, mit einer Autoritätsperson reden zu müssen. Es wäre ihr niemals in den Sinn gekommen, so frei zum Beispiel mit dem Pfarrer Umgang zu pflegen, wie dies einige Weiber aus ihrem Dorf getan hatten; und auch dem Dorfschulten begegnete sie immer mit großem Respekt, obwohl dieser es als unheilbarer Säufer gar nicht verdient hatte. Zwar wusste Anna nicht, um wen es sich bei diesem schwarz gewandeten Herrn mit dem riesigen breitkrempigen Hut und dem kleinen Spitzenkragen handelte, aber sie war sich sicher, dass er kein Handwerker aus dem Tross und auch kein gewöhnlicher Soldat aus dem Heer war. Er war vornehm, das konnte sie sehen, denn so, wie er sich bewegte und wie er sprach und sie als einfache
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