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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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und ungeordneten Herde, das bleibt mir ein Rätsel.«
    »Nun, gute Liese Kroll, der Herr lenkt mich und führt mich hin, wo immer ich gebraucht werde. Ja, ja, die Herde ist magnitud, das habt Ihr ganz richtig gesagt, und deshalb ist es umso schwieriger, sie zu custodieren. Im Moment, das wisst Ihr alle, treibt wieder einmal ein Wolf sein Unwesen, und es dünkt mir, dass es sich bei ihm um einen Wolf im schafspelz handelt. Etiam atque etiam wird ein Lamm aus unserer Mitte gerissen und auf die grausamste Weise sacrifiziert. Und selbst fremde Herden werden überfallen, aber immer nur dann, wenn sie mit der unsrigen in Berührung kommen. Der Wolf ist unter uns, und wir müssen ihn finden. Wo kann er sein? Das will ich Euch fragen, gute Liese. Wo kann er sein? Und auch Euch, Hans Mergel, frage ich es, denn Ihr kennt euch aus, Ihr geht re vera mit offenen Augen durchs Leben, seht Dinge, die anderen verborgen bleiben. Wo kann er sein? Oder besser: Wer ist er?«
    »Das weiß ich nicht, und darüber habe ich mir auch noch keine Gedanken gemacht«, sagte Liese in einem urplötzlich sehr schnippischen Ton.
    »Er ist der Teufel, der Teufel, und er ist bei uns. Hier ist er, in diesem Haus, ja, ja, in diesem Haus ist er, in diesem Haus, in diesem Haus…«
    »Halt den Mund, du verrücktes Weib«, versuchte Liese den Anfall der hysterischen Therese zu unterbrechen, doch die ließ sich nicht beruhigen.
    »Ich kenne ihn, ich kenne ihn, und er weiß, dass ich ihn kenne. Er fürchtet mich. Ja, er fürchtet mich, und deshalb tut er mir nichts zuleide.«
    »Was sprichst du, Verwirrte? Er ist hier? Hier, in diesem Hause?«, wollte der Pastor nun näher wissen, und auch seine Stimme hatte einen eigentümlichen Ton angenommen, ganz ohne die sonst übliche selbstherrliche Note.
    »Ich sehe seinen schatten, seinen Schatten. Manchmal trennt sich sein Schatten von ihm, ja, das geschieht. Doch er entkommt mir nicht, denn ich kann ihn spüren. Ich kann spüren, wenn er nahe ist, und jetzt ist er nahe, ganz nahe, zum Greifen nahe.«
    »So ist sie immer, wenn sie sich interessant machen will. Sie erfindet Gruselmärchen und spielt sich auf wie eine Hellseherin. Das hat nichts zu bedeuten. Sie ist einfach ein verwirrtes, krankes Mädchen. Und hinzu kommt die Schwangerschaft, so etwas macht die Frauen immer noch ein wenig hysterischer. Wer hätte das nicht schon erlebt? Gebt nichts auf ihre Worte. Im Grunde ist sie brav, will sich nur interessant machen.«
    So versuchte der alte Mergel die unangenehme Situation zu entschärfen, während es Anna abwechselnd heiß und kalt wurde. Heiß aufgrund der körperlichen Nähe dieses Mannes, der sie, aus welchem Grund auch immer, unangenehm verwirrte, und kalt, weil die bisher so friedliche und gemütliche stimmung durch das Geschrei der sich plötzlich wieder verrückt benehmenden Therese ins Unheimliche umgeschlagen war. Nun konnte nämlich auch Anna überall schatten sehen, und hinter jeder Truhe, in jedem Winkel des Raumes vermutete sie die Gestalt, welche ihr unlängst in der Kirche begegnet war. Denn auch damals hatte Therese Recht gehabt, und seitdem glaubte Anna dem Mädchen, ganz gleich, wie sehr Mergel und Liese deren Anfälle abtaten.
    »Vielleicht habt Ihr Recht, Mergel«, antwortete der Pastor und wandte sich dann wieder im gewohnten Ton an Liese. »Nun, gute Liese Kroll, wie ich hörte, seid Ihr unlängst mit der jüngsten res gesti dieser Art konfrontiert worden. Es soll sich in einem Gotteshaus unweit der Stadt Höxter zugetragen haben.«
    »Ich habe damit nix zu tun. Die Adele Pfeffer hat die Leiche gefunden, ich hab mir das Spektakel nicht mal angeguckt. Da müsst Ihr schon den Mergel und die Anna fragen, die wissen mehr.« Liese gab sich mittlerweile keinerlei Mühe mehr, ihre schlechte Laune vor dem Gast zu verbergen.
    »Anna Pippel, habt Ihr das unglückliche Opfer gesehen?«, wandte sich Bracht an seine Banknachbarin und warf ihr einen gekonnt und gewollt strahlenden Blick zu, der Anna erröten ließ. Sie wusste gar nicht, wohin sie schauen sollte, so sehr irritierte sie das Gesicht dieses Menschen, der seine Augen nun aus kürzester Entfernung auf sie gerichtet hatte und es zu genießen schien, dass sie vor Scham fast unter der Bank versank und nur stotternd antworten konnte.
    »Ja, das ha-habe ich. Ha-habe sie gesehen. In … in der Kirche.«
    »Nun, könnt Ihr mir Genaueres schildern? Wir sind nämlich in völliger Ignorantia darüber, um wen es sich bei der armen seele handelt. Bisher

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