Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
konnten wir lediglich cognoszieren, dass sich dieser Vorfall ereignete, fernab vom Heer, jedoch ganz in der Nähe eines kleinen zurückgebliebenen Trossteiles, in dem – o mirum! – auch Ihr allesamt versammelt waret und mir nun darüber exponieren könnt.«
Liese warf dem Pastor einen von Gift und Hass erfüllten Blick zu, den dieser jedoch nicht wahrnahm. Sie glaubte, diesen Menschen voll und ganz zu durchschauen, und verabscheute seine Art, Böswilligkeiten in schöne Worte zu packen. Auch wenn sie es sich nicht vorstellen konnte, so wusste sie, dass es genügend Menschen gab, die auf ihn hereinfielen. Nicht so Liese Kroll.
»Was wollt Ihr damit sagen, Herr Pastor?«, unterbrach sie das Gespräch, welches Bracht eigentlich mit Anna fortsetzen wollte. »Glaubt Ihr etwa, ich hätte etwas damit zu tun?«
Noch im selben Moment bereute sie, dass die Pferde mit ihr durchgegangen waren und sie sich diesem so mächtigen Menschen, anstatt sich gütlich mit ihm zu tun, entgegengestellt hatte. So empfanden es, bis auf Therese, auch alle anderen Anwesenden im Raum, denn Mergel und Anna schauten beide betreten auf den Tisch und hofften, dass die Situation sich nicht zuspitzte. Besonders Hans Mergel konnte sich ausmalen, wohin eine solche Beschuldigung, die Liese nun ganz offen ausgesprochen hatte, führen konnte. Zwar funktionierte die Justiz in einem Gebilde wie dem Heer nicht immer so reibungslos wie im herkömmlichen Gesellschaftsleben, und so mancher Verbrecher kam ungestraft davon. Doch in manchen Fällen kannte man auch in einem fahrenden Volk wie dem Kriegsheer kein Pardon, und dazu zählte zweifellos die Hexerei.
Bracht hatte die Macht, Liese der Hexerei zu beschuldigen, sie mit den Morden in Zusammenhang zu bringen und entsprechend bestrafen zu lassen. Und deshalb war es sehr unvor-sichtig von ihr gewesen, den nötigen Respekt vor dem Pastor zu vergessen und ihm etwas zu unterstellen, was er zweifellos gedacht, aber tunlichst zu sagen vermieden hatte. Doch Bracht ließ sich nicht von seinem diplomatischen Wege abbringen und blieb dabei, seine Spitzfindigkeiten in einem Berg von aufgequollener und klebriger Wolle zu verpacken.
»Aber gute Liese Kroll, welch eine sententia! Ich bin lediglich hier erschienen, um Euren Rat zu hören. Und Euch einen Rat mit auf den Weg zu geben. Glaubt mir, dass ich es gut mit Euch meine. Es wird geredet, und sosehr ich auch dagegen anzusprechen versuche, so reicht meine Position als Vertrauensträger bei Weitem nicht aus, die Furi der Menschen aufzuhalten. Sie verbreitet sich wie ein Geschwulst, und da kann auch Euer von mir eingangs erwähnter guter Leumund nicht lange standhalten. Ich will Euch inständig persuadieren, mich in Zukunft über all Euer Handeln zu informieren, ich möchte Euch beschützen und gleichzeitig mit Hilfe Eurer großen Prudentia dem ganzen Treiben ein Ende bereiten.
Instruiert mich, wenn Ihr wieder einmal gedenkt, Euch für einige Tage aus dem Haupttross zu entfernen, und ich werde alles dafür tun, dass nicht schlecht geredet und kein Suspicio falsa gegen Euch gehegt wird. Im Gegenzug möchte ich nun von Euch, Anna Pippel, alles hören, was Ihr in der Kirche wahrgenommen habt. Es gilt, der Sache auf den Grund zu gehen, es gilt, den Urheber zu exquirieren. sei es der Teufel, sei es ein profaner Mörder, ein Herumtreiber, ein derber Lüstling. Oder am Ende doch der Fingerzeig des Herrn? Nennt mir alle Zeichen, die Ihr gesehen habt, denn wer anders als ein Mann Gottes besitzt die Gabe, sie zu entschlüsseln und die möglichen solutiones des Rätsels zumindest in ihrer Anzahl einzugrenzen?«
Und Anna erzählte ihm alles, was sie gesehen hatte. Sie erzählte von Thereses Visionen und wie sie in die Kirche gegangen waren, wie sie das Hündlein hatte wimmern hören und der schatten an ihr vorübergeschlichen war. Ja, sie erzählte ihm sogar, dass sie selbst der Überzeugung sei, dass bei der Toten ein anderes Hündchen gesessen habe als das, welches sie am Vortage wahrgenommen hatte. All das erzählte sie ihm, nicht am Stück und auch nicht flüssig. Nein, in einem stundenlangen Verhör musste er ihr Satz für Satz aus der Nase ziehen, ihr die Informationen bruchstückhaft entreißen und sich dann selbst einen Reim darauf machen.
Die anderen hörten gebannt zu und schwiegen. Lediglich als man auf den schatten in der Kirche zu sprechen kam, ereilte die verrückte Therese ein Anfall, und sie schrie, bis Liese ihr derb Einhalt gebot: »Er war im Turm, im Turm, im
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