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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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aus dem sie durch das Singen einer Frau geweckt wurde. Sie konnte die Stimme nicht genau orten, doch an der Melodie erkannte sie, dass es sich um die alte Bäuerin handeln musste, die ihr unweit des Galgens entgegengekommen war.
    Sicherlich war sie nun auf dem Heimweg. Anna versuchte mit aller Mühe, sich bemerkbar zu machen, doch mehr als ein Grunzen konnte sie nicht hervorbringen, und an dem fortgesetzten Singen der Frau war zu erkennen, dass diese sie offenbar nicht gehört hatte. Dann trat wieder stille ein.
    Anna war nun hellwach und konzentrierte sich voll und ganz auf ihr Gehör. Wieder waren Schritte zu vernehmen, sie waren schnell und kamen aus der gleichen Richtung wie zuvor das Lied der Alten. Jemand lief den Feldweg am Waldesrand entlang, hielt inne, drehte um. Lief wieder zurück, kam – das hörte sie am Rascheln des Laubes – ein Stück weit in den Wald hinein, fluchte leise und ging zurück zum Weg, wo sich seine schnellen schritte langsam verloren. Anna hatte sich dieses Mal still verhalten. Wer wusste schon, ob es nicht ihr Entführer war, der sie nun suchte und möglicherweise vergessen hatte, wo genau im Wald sein Opfer angebunden war.
    Wieder vergingen lange Augenblicke, Minuten oder Stunden, Anna konnte es nicht sagen. Sie spitzte noch immer die Ohren – und da tat sich erneut etwas auf dem Weg. Sie hörte ein schleifendes, schleppendes Geräusch, das nun aus der anderen Richtung kam, aus der, wo das Singen der Bäuerin und auch die Schritte des Fremden verklungen waren. Anna konnte sich nicht erklären, was es war, es hörte sich so an, als ziehe jemand einen Mehlsack hinter sich her. Es war besser, sich still zu verhalten.
    Der Rest des Abends und der folgenden Nacht verlief still. Anna zählte wieder einmal, sie kam zweiundsiebzigmal bis hundert, als ihr Kopf nach vorne fiel und sie sich in einem wirren Traum wiederfand. sie träumte von den Mettwürsten des Bauern Schulz, von den polierten Stiefeln des Hans Mergel, von Thereses totem Kind und wie ihre schwester Mine all das, die Würste, die Stiefel und das Neugeborene, an sich nahm und mit sich trug, hinein in den Wald, wo sie Holz suchen gehen wollte. Dann tauchte plötzlich der fremde Reiter vor Anna auf und schimpfte mit ihr, sie solle doch endlich ihrer Schwester beim Brennholzsammeln helfen, doch dann sagte er, das mache sein Pferd auch nicht mehr lebendig, und verschwand wieder. So folgte ein wirres Bild dem nächsten, und als Liese schließlich mit dem Pastor Bracht auf dem Kirchhof tanzte, wurde Anna geweckt.
    Er war zurückgekommen und schnitt nun ihre Fesseln an den Füßen auf, dann entfernte er das Seil, welches sie an den Baum band. Augenbinde, Knebel und Handfesseln verblieben, wo sie waren. Unsanft wurde Anna aufgerichtet, und ihr unsichtbarer Entführer stieß sie vor sich her. sie ahnte Schreckliches, größere Angst hatte sie die ganze Nacht über nicht gehabt.
    Schließlich – Anna spürte wieder festeren Boden unter den Füßen – schnitt man auch die Fesseln an ihren Händen so weit auf, dass sie sich selbst befreien konnte. Während sie es versuchte, hörte sie, wie ihr Peiniger eiligen Schrittes im Wald verschwand. Nachdem ihre Hände befreit waren, zerrte Anna sich die Binde von den Augen und riss den von Speichel völlig durchtränkten Knebel aus dem Mund. Sie schnappte gierig nach Luft, orientierte sich kurz, erkannte, dass sie auf dem Feldweg stand, und eilte davon. sie stolperte den Weg entlang und hoffte bald am Galgen anzukommen, denn das war der einzige Orientierungspunkt, den sie in Erinnerung hatte, um wieder zum Lager zurückzufinden.
    Nach etwa fünfhundert Schritten erreichte sie ihn endlich und blieb davor stehen. Im nächsten Augenblick schrie sie entsetzlich auf und stürzte dann keuchend weiter.
    Die Knochen des Diebes baumelten nicht mehr nur allein an dem Galgen. Neben ihm hing die alte, singende Bäuerin – nun nicht mehr singend, dafür aus der aufgeschnittenen Kehle blutend, und mit einem winselnden Hündchen zu ihren Füßen.
    »Hat dich wer gesehen?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Hast du es schon jemandem erzählt?«
    »Nein, niemandem.«
    »Ist es weit von hier?«
    »Querfeldein etwa eine Stunde. Aber nur, wenn man sehr schnell geht.«
    »Meinst du, da kommen viele Leute vorbei?«
    »Nein, ich glaube nicht. Vor allem nicht am Sonntag.«
    »Gut, dann gehen wir jetzt hin, schneiden die Alte ab und verscharren sie im Wald.«
    »Das können wir nicht tun, Liese. Wenn man uns dabei sieht, ist

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