Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
alles aus. Lass sie, wo sie ist. Das ist so weit weg, davon wird hier niemand etwas hören. Nichts haben wir damit zu schaffen, und das soll auch so bleiben. Wir sind unschuldig.«
»Ja, unschuldig. Das interessiert nur hier überhaupt niemanden. Die lecken sich doch die Finger danach, mich brennen zu sehen.«
»Willst du jetzt jedes Mal, wenn noch einmal so etwas passiert, die Leiche verschwinden lassen, bevor sie jemand anderer findet?«
»Unsinn. Aber ich muss noch eine Weile hier aushalten. So lange, bis die Schweden kommen, und dann gehe ich zu denen. Dann können die mir hier alle gestohlen bleiben. So, und jetzt wird nicht mehr geschwätzt, jetzt machen wir uns auf. Komm, Anna, solange noch alle schlafen.«
Anna war sich sicher, dass sie einen großen Fehler begingen, wenn sie die tote Frau verschwinden ließen, doch Liese war von ihrem Vorhaben nicht abzubringen. Zum ersten Mal bemerkte Anna hinter der harten Fassade ihrer Begleiterin Furcht. Aus Mitleid und Schuldgefühl rang sie sich durch, zusammen mit Liese den verrückten Plan auszuführen. Schuldgefühl deshalb, weil sie sich langsam sicher war, dass es wenigstens dieses Mal kein Zufall war, dass der Mord in ihrer Nähe begangen wurde, und Anna schwante mehr und mehr, dass das nichts mit Liese, sondern allein mit ihr zu tun hatte.
Auf dem Weg durch das Lager hüllten sich die beiden Frauen tief in ihre Umhänge. Nur wenige waren bereits auf den Beinen, und die, die ihnen begegneten, interessierten sich dem Anschein nach nicht für Sie. sie kamen also unbemerkt an den Zelten und Wagen vorbei. so glaubten Anna und Liese zumindest.
Auf den Feldern angelangt, begann Liese Anna weiter zu löchern: »War es nur einer, der dich in den Wald geschleppt hat?«
»Ja.«
»Hat er etwas gesagt?«
»Kein Wort.«
»Hat er dich unsittlich angefasst?«
»Nein.«
»Hat er einen Hund dabeigehabt?«
»Ich konnte doch nichts sehen, und alles ging so schnell. Ich weiß es nicht.«
»Und er hat auch nichts gesagt, als er dich wieder freigelassen hat?«
»Nein.«
»Wie groß war er?«
»Weiß ich nicht.«
»Ungefähr. War er klein, mittelgroß oder ein Hüne?«
»Er war sehr stark, das ist alles, was ich weiß.«
»Wieso hat er dich gehen lassen?«
»Das weiß ich auch nicht.«
»Darauf kann ich mir beim besten Willen keinen Reim machen.«
»Ich auch nicht. Lass es uns doch einfach vergessen, drehen wir um, packen wir unsere Sachen, und verschwinden wir aus dem Heer.«
»Nein, das mache ich nicht. Liese Kroll macht sich nicht so einfach aus dem Staub. Die sollen mich in Erinnerung behalten! Und zwar nicht als eine vermeintliche Hexe, die kalte Füße bekommen und vor Angst das Weite gesucht hat. Ich kläre diese Morde auf, und wenn dann die Schweden kommen, kann ich wieder Geschäfte machen. Dann bin ich weg, das verspreche ich dir.«
Anna beschloss, nichts mehr zu sagen, sie wusste, dass sie gegen den sturkopf einer Liese Kroll nicht ankommen konnte. Als sie schließlich in die Nähe des Galgens kamen, schlichen sie sich vorsichtig an, um auszukundschaften, ob sie allein waren. Zunächst dachten sie, es wäre ihnen schon jemand zuvorgekommen, denn die Alte hing nicht mehr dort, wo Anna sie zuletzt gesehen hatte. Doch dann, nachdem sie die Leiche unter dem Galgen liegend vorgefunden hatten, wurde ihnen klar, dass allein die Schwerkraft und der Wind dafür gesorgt hatten, dass die wenigen dünnen Sehnen des ansonsten durchtrennten Halses dem Gewicht des Körpers nicht standhalten konnten, gerissen sein mussten und die arme Alte dann zu Boden gefallen war. Den Kopf fand Liese nach kurzer suche in einem nur wenige schritte entfernten Busch.
Und Anna fand etwas anderes. Dort, direkt am Fuße des Holzpfahles, lag eine sanduhr.
Anna hatte keine Zeit mehr zu reagieren. Liese jedoch hatte sich gerade nach dem Kopf gebückt und ihn an den Haaren aufgehoben, als sie beim Aufrichten die Füße dreier Männer vor sich entdeckte. Da standen sie vor ihr, mit Piken, Musketen und einem hämischen Grinsen bewaffnet.
»Haben wir dich endlich erwischt, du alte Hexe.«
Liese konnte kein Wort herausbringen, und auch Anna war stehen geblieben wie festgefroren, mit großen Augen und offenem Mund. Die Szene, die sich den Männern bot, war, was ihren Verdacht Liese Kroll gegenüber betraf, eindeutig. Fanden sie doch die Verdächtigte wie folgt vor: mit dem blutenden, abgetrennten Kopf ihres letzten Opfers in der Hand.
»Ihr kommt jetzt mit«, sagte der größte und
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