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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Holzfässern gehoben worden waren, baute sich Bracht vor ihnen auf und klärte sie über den stand der Dinge auf.
    »Liese Kroll und Anna Pippel, nun ist es so weit. Zwar konnte ich die aufgebrachte Menge davon abhalten, ein grausames Exempel an Euch zu statuieren, doch ließ es sich durch Euren eigenen Despekt nicht verhindern, dass sich nun die ordentliche Gerichtsbarkeit Eures Falles annimmt. Ich habe bereits mit Profoss Heidestett gesprochen, der Euch fortan in Gewahrsam nehmen und auch Justitiam administrieren wird. Alles Weitere liegt nicht mehr in meiner Hand. Ich wünsche Euch, dass Ihr dem Gericht offen und ehrlich gegenübertretet, nichts ver-schweigt und keine Schuld von Euch weist. Nehmt diesen Rat an, denn er ist gut gemeint und soll Euch vor unnötigen Mortifizien schützen. Entscheidet nach Eurem Gewissen und betet zu Gott, dass er sich Eurer sündigen Seelen erbarme. Denn der Mensch untersteht zwei Ordnungen, der geistlichen und der weltlichen. Beide stammen unmittelbar von Gott, sind aber streng voneinander geschieden. Allein durch die Gnade Gottes, die dem Büßenden durch das Erlösungswerk Christi zuteilwird, können wir unser Heil erlangen. – Mehr habe ich nicht zu sagen.«
    Und damit ging er.

XI

    Walter Heidestett war seit nunmehr fünf Jahren Profoss in diesem Regiment, ein Amt in der unteren Riege der oberen spitze militärischer Hierarchie. Trotz größter Bemühungen hatte er es bisher nicht geschafft, die Karriereleiter um weitere Stufen zu erklimmen, und der Grund war einfach: Heidestett fiel nicht auf. Ja, er fiel so wenig auf, dass es sogar sein stellvertreter war, der mit dem Großteil des Heeres nach Norden ziehen durfte, während er, Heidestett, hier mit dem kläglichen Rest und dem stinkenden Tross zurückbleiben musste.
    Dies bedeutete jedoch nicht, dass er unfähig war, sein Amt, oder gar ein höheres, zu bekleiden – im Gegenteil: Er war äu ßerst fleißig und gewissenhaft. Allein, es fehlte ihm an Pfiffigkeit und Ausstrahlung. Nichts an diesem Menschen war besonders. Er war nicht besonders groß und nicht besonders klein, er war nicht besonders dick und nicht besonders dünn, selbst hässlich war er nicht besonders, dafür aber auch nicht besonders schön. seine Aufgabe als ausführende Gewalt der Heeresjustiz versah er mit großer Sorgfalt, aber ohne jegliche Form natürlicher Autorität. Selbst eine aufgesetzte Strenge wollte ihm nicht glaubwürdig gelingen, und so ließ er es nach wenigen ge-scheiterten Versuchen bleiben, laut und aufbrausend vor verdächtigen Übeltätern zu erscheinen.
    Seine konkrete Aufgabe war es, straffällig gewordene soldaten ausfindig zu machen, in Gewahrsam zu nehmen, sie dem Kriegsgericht zu überantworten und für die Vollstreckung des Urteils zu sorgen. All das nahm er nicht persönlich in die Hand, sondern ließ es meistenteils von seinem Personal erledigen, welches ihm außerordentlich treue Dienste tat. So hielt sich Profoss Heidestett als Polizeiverwalter einen großen Apparat an Untergebenen, die in seinem Auftrag Übeltäter einfingen, folterten und gegebenenfalls hinrichteten. Heidestett selbst hatte noch nie einen Menschen getötet. Allein bei dem Gedanken ekelte es ihn.
    Was den Fall Liese Kroll und Anna Pippel betraf, so fühlte sich Heidestett zunächst nicht verantwortlich. Für Angelegenheiten des gemeinen Trossvolkes hatte er den Rumormeister eingestellt, der Profoss kümmerte sich um Recht und Ordnung unter den Soldaten. Die von ihm zu verfolgenden Kriminalfälle betrafen Desertierung, Feigheit, eventuell Plünderung und Vergewaltigung. Hexerei gehörte nur selten dazu. Heidestett selbst hatte noch keinen Fall erlebt.
    Es war jedoch so, dass die Morde der letzten Zeit große Wellen geschlagen hatten, so große Wellen, dass sich eine Unruhe im gesamten Heer anzubahnen schien. Vom Tross ausgehend, hatte sich diese Unruhe rasant ausgebreitet, und man glaubte festgestellt zu haben, dass ein Teil der geflüchteten Soldaten nicht nur des Hungers und des fehlenden Winterquartiers wegen das Heer verlassen hatte.
    Kurz und gut: Selbst Albrecht von Wallenstein hatte von den Vorkommnissen erfahren und befohlen, dem Treiben schnell ein Ende zu setzen, bevor sich der Aberglaube vom Teufelswerk so sehr ins Heer gefressen hätte, dass vom Selbigen gar nichts mehr übrig bliebe.
    So nahm sich der Profoss also des Falles Kroll an. Er hatte von den Auditoren, den Kriegsrichtern, sogar die Vollmacht bekommen, einen Scheinprozess zu veranstalten.

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