Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
kräftigste der drei, ein ehemaliger Unteroffizier namens Johann Schlick, der wegen zahlreicher kleinerer Vergehen degradiert worden war und sich nun als selbst ernannter Schutzmann und Geldeintreiber verdingte.
An seiner Seite waren seine Gehilfen, ein etwa vierzigjähriger Einäugiger mit schiefem, sabberndem Maul und ein noch sehr junger Bursche, der trotz seiner Jugend kaum noch Haare auf dem Kopf und keinen einzigen weißen Zahn mehr im Mund hatte. Dieses Gespann nun machte sich daran, Liese und Anna zu binden und die Leichenteile der armen Alten einzusammeln und in ein Laken zu schlagen. Dann ging es zurück ins Lager, die Männer auf klapprigen Zossen reitend, während Anna, Liese und die Tote hinterhergezogen wurden.
Mit nach mehreren Stürzen zerrissenen Kleidern, aufgeschlagenen Knien und blutendem Kinn kamen Anna und Liese wieder ins Lager zurück. Dort hatte sich die Nachricht schon vor ihrer Ankunft wie ein Lauffeuer verbreitet und dazu geführt, dass sie bereits von einem grimmigen Mob erwartet wurden.
»Herrgott, das sieht nicht gut aus«, stieß Liese hervor, als sie von Dutzenden Menschen umringt wurde, die sich noch damit begnügten, sie wild zu beschimpfen und ihr die wüstesten Beleidigungen entgegenzuwerfen. Anna hingegen zog nicht das geringste Interesse auf sich, sie wurde nicht mit Worten beleidigt, und, anders als bei Liese, ging man auch nicht dazu über, sie anzuspucken, an ihren Haaren zu ziehen und sie mit steinen zu bewerfen. Liese ertrug all diese Demütigungen standhaft, stolz blickte sie ihren Peinigern in die Augen und lachte sie mitunter sogar aus. Doch an ihren bebenden Lippen konnte man sehen, dass sie Schmerzen und vor allem schreckliche Angst hatte.
»Auseinander! Auseinander!«
Pastor Bracht kam zusammen mit dem Rumormeister spengel herbeigeeilt.
»Ich gebiete euch Einhalt. Tuet nichts, was ihr später bereuen werdet!«, schrie der Pastor, und die Menge stob ob seiner donnernden stimme auseinander.
»Liese, Liese, ich hatte Euch gewarnt«, wandte er sich an die Kroll. Und diese antwortete ihm, indem sie ihm mit ernstem Gesicht vor die Füße spuckte.
Empört wandte sich der Pastor ab und ging davon. Liese und Anna wurden von ihren drei Kopfgeldjägern und dem Rumormeister zu dessen Unterkunft gebracht. Der Mob löste sich murmelnd auf.
Rumormeister Spengel war sozusagen der Hüter des Trosses. Zusammen mit Änne Mauler, dem Hurenweibel, sorgte er, vom Profoss Heidestett beauftragt, dafür, dass unter dem gemeinen Volk des Anhangs Ruhe und Ordnung herrschte. Er verhängte Strafen nach Massenschlägereien, unterband den Wucher unter den Händlern; bei ihm beschwerte man sich, wenn man beim Würfelspiel betrogen worden war, und man wandte sich auch bei sonstigen streitigkeiten und Querelen an ihn. Spengel war nicht gerade ein vorbildlicher Wachtmeister, da er selbst gern dem suff und dem Weibe erlag und sich zudem oft bestechen ließ. Kurz: Er war ein ungebildeter, gemeiner Schuft, und deshalb wusste Liese nur zu genau, dass sie bei ihm nicht gerade in die besten Hände geraten waren.
Im Falle der Liese Kroll jedoch hatte Spengel strikte Anweisungen, und deshalb hatten die beiden Frauen, ohne es zu wissen, von ihm nichts zu befürchten, zumindest nicht, was seine üblichen Interessen betraf.
Spengel war ein wenig überfordert mit dem, was er nun mit den beiden Hexen anstellen sollte. Einer Hure, die ihren Freier bestahl, der konnte man den nackten Arsch mit einem Lederriemen versohlen; eine Marketenderin, die verdorbene Ware zu Wucherpreisen verkaufte, konnte man an den Pranger stellen; und zwei Raufbolde wurden einfach vor einen Ochsenkarren gespannt und mussten den besoffenen Sengel im Lager herumfahren. Ja, da wären ihm noch viele weitere wunderbare Schikanemaßnahmen eingefallen. Doch diese hier, die durfte er nicht anrühren, die musste er dem Profoss übergeben, das war der ausdrückliche Wunsch des Pastors Bracht. Und Pastor Bracht war eine Institution.
Spengel beschloss also, solange der Pastor nicht zurückkam, den beiden Weibern ihre Hände und Füße zusammenzubinden und sie jeweils in ein – leider leeres – Fass zu stecken. Das machte wenigstens ein bisschen Freude, und er konnte immerhin sagen, dass er sie dort in Ermangelung eines soliden Kerkers zu ihrem eigenen schutze aufbewahrte.
Gegen Mittag kam Pastor Bracht zurück und erteilte Spengel und seinen Helfern den Auftrag, die beiden Frauen dem Profoss zu übergeben. Nachdem sie unsanft aus ihren
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