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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Nun war Profoss Heidestett also auch erstmals Richter, und er wollte sein Amt mit einem Höchstmaß an Korrektheit versehen.
    All dies war längst vorbereitet gewesen, lange bevor Liese auf frischer Tat ertappt worden war. Sie war die Auserwählte, und nun war endlich der Zeitpunkt gekommen, ihr beweiskräftig anzulasten, was man ihr schon immer unterstellt hatte. Liese Kroll war eine böse Hexe, sie war mit dem Teufel im Bunde, und das musste man nur noch aus ihrem eigenen Munde hören. Profoss Heidestett war es gleichgültig, wen er verurteilen sollte, ob Liese Kroll oder irgendein anderes Weib; doch gegen sie hatte sich in der letzten Zeit eine brodelnde Abneigung innerhalb des Trossvolkes aufgebaut, wodurch sie zu einem idealen Bauernopfer wurde. Die Hauptsache war nur, dass damit auch das Morden aufhörte. Heidestett hatte nämlich in Erfahrung gebracht, dass sie nicht die Erste war, die wegen dieser Vorkommnisse beschuldigt wurde. Schon andere vor ihr waren entweder der Lynchjustiz des Trossvolkes oder der Hand des Rumormeisters zum Opfer gefallen.
    Man wird sehen, dachte Heidestett und konzentrierte sich darauf, innerhalb der vor ihm liegenden Aufgabe die Form zu wahren. Über eine mögliche Schuld oder Unschuld der Angeklagten konnte er sich Gedanken machen, wenn es nach ihrer Hinrichtung weitere Tote geben sollte.
    Liese und Anna waren also mittlerweile den Händen der offiziellen Heerespolizei überantwortet worden. Dies hieß, dass sie nicht mehr in ein Fass gesteckt, sondern in Eisen gelegt wurden. So saßen sie im Stall des Bauernhauses, in welchem Profoss Heidestett sein Lager aufgeschlagen hatte und von wo aus er sein Amt versah. Als Wache diente ein junger, starker Bursche, der mit einer Muskete über der schulter vor dem Stall auf und ab ging. Es war bereits Abend geworden, und Liese und Anna hatten einen Getreidebrei und etwas Wasser zu sich nehmen dürfen. Weitere Vorkommnisse hatte es nicht gegeben, und auch viele Worte hatten sie nicht gewechselt.
    Besser als Anna schien Liese zu wissen, was sie am folgenden Tag erwarten würde. Und sie versuchte, einen Plan zu schmieden, wie sie wenigstens die arme Anna vor einem schrecklichen Schicksal bewahren konnte. Schweigend saßen beide da, als mit einem Ruck die Holztür des Stalles geöffnet und zwei weitere Gestalten hineingestoßen wurden. Es handelte sich um den alten Mergel und die verrückte Therese. Auch ihnen wurden Hals, Hände und Füße in mit Ketten verbundene Eisen gelegt.
    Schweigend verbrachten die vier die Nacht, und als am Morgen die Männer des Profoss kamen, um sie abzuholen, zischte Liese ihren Freunden zu: »Beschuldigt mich, niemand anderen als nur mich. Ich allein bin schuld. Ihr alle habt von nichts gewusst.«
    Man mochte meinen, dass es einer fahrenden Gesellschaft besonders an solchen Dingen mangelte, die schwer zu transportieren waren. Doch genauso wie die Obersten eines Regimentes nicht auf Dutzende von Fässern ihres liebsten Weines oder auf riesige Gemälde an den Wänden ihrer Luxuszelte verzichten wollten, so war auch die Gerichtsbarkeit zwar nicht mit massiven Gefängnissen, aber mit der richtigen Gerätschaft ausgerüstet, um jederzeit ein zeitgemäßes peinliches Verhör durchführen zu können. Streckbänke, Daumenschrauben, spanische Stiefel, Stühle mit spitzen Eisendornen, diverse Zangen, Messer, Beile und glühende Eisen – alles war vorhanden und wurde sorgsam im Untergeschoss des einzigen unterkellerten Gebäudes des Dorfes, in dem man lagerte, aufgebaut. Dieses Gebäude war das Pfarrhaus.
    Der Pfarrer – er war nicht geflohen und wurde außerdem recht ordentlich behandelt – hatte zwar protestiert, doch das war umsonst gewesen. Bei solchen Dingen brauchte der Henker zum Walten seines Amtes, des Folterns, seine Ruhe, und die hatte man am besten in einem Keller. Dieser war zwar sehr eng und dunkel, doch nachdem all die Habe des Geistlichen hinausgeworfen worden und reichlich Teerfackeln an den Wänden angebracht worden waren, ließen sich sämtliche Utensilien bequem unterbringen.
    Die vier zu Verhörenden wurden zunächst in einen Vorraum gebracht, in welchem sie sich auf eine Holzbank setzen mussten. Einer nach dem anderen wurden sie einzeln zum Profoss gerufen, der im Erdgeschoss des Gebäudes in der Schreibstube des Pfarrers saß und dort zunächst »im Guten« mit dem Verhör begann.
    Anna hörte nicht, was er mit Liese sprach, und sie wusste auch nicht, welche Fragen er Mergel und Therese stellte, doch

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