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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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sich hatte, was es zu bedeuten hatte, das wusste sie noch immer nicht genau, doch in jedem Fall verhieß es nichts Gutes.
    Anna überlegte, ob sie Hans Mergel davon erzählen sollte. Doch sie beschloss, dieses eigentümliche Geschenk zu verheimlichen, die scherben aufzusammeln und alles in die Gosse zu werfen.
    Als sie in die Gaststube trat, saßen Mergel und Balthasar an ebendem Tisch, auf den offensichtlich ein kleiner Sandstrahl herniedergegangen war. Anna setzte sich zu ihnen und wischte nebenbei mit ihrem Ärmel auch diesen letzten Rest der unwillkommenen Gabe fort. Sie schwieg, während sie eine dünne Hafersuppe schlürften, und sie nickte nur, als Mergel vorschlug, doch noch einen weiteren Tag in Paderborn zu bleiben. Jetzt, wo doch die Geschäfte so gut liefen.
    Man einigte sich also darauf, dass Balthasar noch ein- bis zweimal an diesem Tag ausfliegen, sich jedoch an anderen Plätzen aufhalten solle, damit ihm bloß nicht eines seiner früheren Opfer über den Weg liefe. Man wusste ja nicht, ob manch eine der Damen im Nachhinein den freundlichen Knaben unter Verdacht hatte. Alles in allem wurde die situation also auch für Balthasar heikel, denn es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er wiedererkannt würde.
    Anna wollte den Tag in der Herberge verbringen, um dort alles für die Abreise vorzubereiten, und Mergel tat ein selbiges, nur dass er nicht packte, sondern seine müden, wunden Knochen ein wenig schonte.
    So verstrichen Vor- und auch Nachmittag in friedlicher Langeweile, ohne dass etwas geschah, bei dem Anna um ihr Leben hätte bangen müssen. Sie begann die sanduhr für einen schlechten Scherz zu halten, den ihr nicht zuletzt vielleicht sogar Hans Mergel gespielt hatte.
    Am späten Nachmittag kehrte Balthasar zurück, und bei sich hatte er eine Frau mittleren Alters, die offensichtlich blind war. Es handelte sich um Gundis Fingerbreit, eine Obdachlose mittleren Alters, von Geburt an blind und der Profession der Wahr-sagerei verschrieben. Ob Gundis Fingerbreit tatsächlich hellsehen konnte, wusste niemand genau, ihre Erfolgsquote jedoch war nicht besonders hoch, und auch eine Stammkundschaft konnte sie nicht an sich binden. Wahrscheinlich war sie einfach eine Halsabschneiderin, die anders ihr Geld nicht zu verdienen wusste. Nun hatte also Balthasar ebendiese Frau mitgebracht.
    »Das Weib hier hat mich angesprochen. Will mit dir reden, Anna.«
    »Weshalb? Woher kennt sie mich?«, fragte Anna erstaunt und nichts Gutes ahnend.
    Die Blinde ergriff das Wort: »Soll dir eine Nachricht überbringen. Bist du Anna Pippel?«
    »Ja, die bin ich.«
    »Geh von hier fort, Anna Pippel. Geh noch heute fort. Bleibe nicht über Nacht in dieser Stadt. Verschwinde, so schnell es dir möglich ist. Lauf die ganze Nacht. Schlafe nicht. Gehe bis zum Sonnenaufgang und ruh dich nicht aus. Achte darauf, dass dir niemand folgt. Verschwinde schnell und heimlich.«
    Die Frau sprach mechanisch und abgehackt, ähnlich einem schlechten Leser, dem es nicht gelingen wollte, Leben in die stelle zu bringen, die er gerade aus der Bibel oder sonst einem Buch vortrug.
    »Wer hat dir das gesagt?«, fragte Anna mit heiserer, fast unhörbarer Stimme.
    »Kenne den nicht. Ist einfach zu mir gekommen und hat mir diese Worte mitgeteilt. Konnte ihn nicht sehen, weil ich blind bin. Konnte ihn nicht hören, weil er nicht gesprochen hat. Seine Worte waren plötzlich da, habe sie vernommen, aber nicht gehört. Kann stimmen hören, die aus dem Jenseits sprechen. Höre Stimmen, wo andere nur das Rauschen der Blätter wahrnehmen. so war es auch jetzt, hat nicht gesprochen, hat nur Geld dagelassen. Und so bin ich gegangen, um die Nachricht zu überbringen.«
    »Ich danke dir.« Mehr konnte Anna nicht sagen. Sie verspürte den Drang, dieser Mitteilung sofort Folge zu leisten und zu fliehen. Ihre Sachen zu packen und fortzugehen, so schnell es irgend möglich war. Doch dazu musste sie zuerst mit Hans Mergel sprechen.
    »Eine Sanduhr hast du gefunden?«
    »Ja, in meinem Bett, ich hielt sie in der Hand.«
    »Das ist kein gutes Zeichen.«
    »Was bedeutet es?«
    »Weißt du nicht, Anna, dass die Sanduhr das Zeichen des Todes ist? Deine Zeit ist abgelaufen, das hat sie zu bedeuten.«
    »Hat der Mörder sie zu mir gebracht?«
    »Ja, ich denke schon. Der Mörder war es, wer immer es ist.«
    »Bist du dir da sicher, Hans?«
    »Ja, das bin ich. Du weißt es nicht, aber vor drei Jahren kam schon einmal eine junge Frau, auch ein Bauernmädel, zu uns. Helene hieß

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