Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
sie. Weiß gar nicht mehr, wo wir damals standen. Liese hat sie aufgenommen, hat die gleichen Arbeiten verrichtet wie du, ungefähr sechs Wochen lang. Eines Morgens kam sie und hatte eine Sanduhr in der Hand. Wer hat mir die geschenkt?, wollte sie wissen. War ein einfaches Mädchen. Wir wussten es nicht und haben uns auch nichts dabei gedacht. Am nächsten Tag haben wir sie nicht mehr finden können. War einfach verschwunden. Liese hat angenommen, dass sie in ihr Dorf zurückgegangen ist.
Einige Wochen später kamen wir durch die gleiche Gegend. In Hessen war das, wenn mich nicht alles täuscht. Und da stöberten wir dann so in einem Dorf herum. Ganz so, wie man es halt macht im Krieg. Na ja, da hat dann einer auf dem Heuboden eines Bauernhauses die Helene gefunden. War nach so langer Zeit nicht mehr zu erkennen. Aber ich habe gesehen, dass sie es war. Die hatte nämlich so einen besonderen Flicken auf ihrem Rock, ein Kleeblatt. Das hatte sie mir mal eines Abends gezeigt. Sollte ihr Glück bringen, das Ding. Hat nichts genutzt. Niemand hat je erfahren, um wen es sich bei der Toten gehandelt hat, ich habe mein Wissen für mich behalten – zur sicherheit. Hatte doch wieder was mit uns zu tun, das Mädchen, zufällig, versteht sich. Und das musste ja nun wirklich nicht jeder wissen, außer Liese, der habe ich es erzählt.
Und gemeinsam ist uns dann aufgefallen, dass da wohl tatsächlich Sanduhren im Spiel sind. Glaube nicht, dass das sonst jemandem aufgefallen ist. Ich für meinen Teil nehme an, dass er seine Opfer auf diese Art und Weise warnt. Er will auch dich warnen, Anna. Du scheinst die Nächste zu sein.«
»Dann müssen wir jetzt gehen.«
»Ja, das sollten wir. Aber was hat die Blinde wohl damit zu tun? Wer hat ihr den Auftrag gegeben? Das frage ich mich.«
»Ich weiß es nicht. Wir müssen gehen!«
»Und wenn es der Mörder selbst war, der dir zur Flucht rät? Vielleicht ist das nur ein Teil seines Spielchens.«
»Aber wir können doch nicht hier warten.«
»Nein, das können wir nicht. Wir gehen, aber nicht sofort, sondern erst, wenn es stockdunkel ist. Dann schleichen wir uns ganz heimlich weg. Wird uns schon keiner sehen.«
Und so geschah es. Still und leise verließen die drei mit ihren neuen Waren und ihrem Eselskarren am Abend durch das ihnen bereits bekannte Schlupfloch die Stadt, immer auf der Hut, nicht verfolgt zu werden, dem Morgen entgegenbangend, die
Helligkeit und mit ihr das Ende der Gefahr erwartend. Fünf Meilen legten sie in dieser Nacht zurück, trotz der Behinderung des alten Mergel. Nichts geschah, niemand sprach sie an, nicht einmal ungeheuerliche Geräusche waren aus der Dunkelheit zu hören gewesen. Dennoch war es eine schaurige Nacht, und Anna war heilfroh, solch treue Begleiter bei sich haben zu dürfen.
Am Morgen erreichten sie eine kleine Waldschenke und nahmen dort Quartier. Zunächst legten sich Hans Mergel und Balthasar nieder, danach versuchte Anna unter der Beobachtung der beiden ein wenig zu schlafen. Zwar schloss sie die Augen, doch einschlummern, das konnte sie nicht. In der folgenden Nacht gingen Müdigkeit und Erschöpfung in eine Art von trunkener Gleichgültigkeit über, und Anna fiel in einen tiefen und unerschütterlichen schlaf.
Am zweiten Morgen nach dem Erhalt der eigentümlichen Botschaft machten sie sich schließlich, da nichts geschehen war, auf den weiteren Weg in Richtung Heidelberg. Die Gefahr schien vorüber. Vielleicht war es nichts weiter als ein schlechter scherz gewesen.
Sie ist fort. Hat es geschafft. Vielleicht wird sie verfolgt, vielleicht auch nicht. Man weiß es nicht genau. Man wird sehen.
Bleibt man nun hier? Oder geht man mit ihr? Bis in die Berge will sie ziehen. So weit war man nie entfernt von ihm. Man braucht ihn, muss doch hierbleiben, kann doch nicht alleine gehen. War doch noch nie weit von ihm entfernt. War doch immer in seiner Nähe. Immer, seitdem die Mama tot ist.
Man kann die Frau ein wenig verfolgen. Wird schon wieder zurückfinden. Ist ja bald alles vorbei. Er wird nicht lange warten. Kann nicht warten. Wird sie wieder suchen. Muss sie suchen. Muss sie bestrafen. Muss sie unbedingt bestrafen, wie er alle Frauen bestraft, die böse zu ihm sind. Wird sich aber ein anderes Hündchen suchen, dieses Hündchen darf er nicht haben. Das ist nicht sein Hündchen, das wird nur aufbewahrt. Das kommt zurück zu der Frau. Muss zurück zu ihr.
»Mit dem Frieden ist es schon ein seltsames Ding. Jetzt herrscht er angeblich schon mehr
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