Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
aus unserem Heer. Wenigstens ein Teil von denen. Von Piepenhofen, Grindel, Wattenberg oder so ähnlich – keine Ahnung, wie die alle heißen, aber auf jeden Fall sind das alles Hauptmänner. Heißt also, das die auch nach Paderborn gezogen sind.«
»Mit der ganzen Bagage?«, wollte Anna wissen, die sich fürchtete, bekannten und deshalb unliebsamen Gesichtern zu begegnen.
»Glaube ich nicht. So schnell sind die nicht unterwegs. Wahrscheinlich verhandeln sie hier irgendwas. Man steckt ja nicht drin, in den Köpfen der Großen. Geht bestimmt um dieses Edikt, das alles wieder katholisch machen soll. Wird ja wohl das nächste Kriegsvorhaben sein, bevor die Schweden kommen.«
Mergel wandte sich erneut dem Händler zu, blickte aber immer wieder in Richtung der Männer. Auch er schien Angst zu haben, erkannt zu werden. Nicht von diesen dort, die nichts von seiner Existenz wussten und sich auch niemals dafür interessiert hätten. Aber er fürchtete sich vor deren Lakaien und Helfershelfern, die nun auch nicht weit sein konnten und ihn sowie Anna als Verbannte und Vogelfreie womöglich wiedererkennen würden.
Nach dem Kauf des Laternentrans machten sich die beiden wieder auf in ihre Herberge. Dort wollten sie auf Balthasar warten, um gleich am nächsten Morgen die Stadt zu verlassen.
Es geht ihr gut. Zufrieden sieht sie aus, die Frau. Zufrieden, weil die Hexe endlich tot ist. Weiß gar nicht, dass der Tod auch auf sie lauert.
Weiß gar nicht, dass er ganz in der Nähe ist. Weiß nicht, dass er sie längst gesehen hat.
Hat sie gesehen und will sie jetzt endlich bestrafen. Will sie bestrafen und freut sich schon darauf. Die Frau muss bestraft werden, alle wurden bestraft, wenn sie es gemacht haben. Das kann man nicht ändern. Das kann man nicht mehr ändern.
Will noch weit gehen, die Frau. Will bis in die Berge gehen, bis in die hohen Berge will sie gehen. Das ist noch ein weiter Weg. Da kann man nicht mit. So weit wird sie gar nicht kommen, niemals wird sie so weit kommen. Ammersee hat der alte Mann gesagt, Ammersee, das muss man im Kopf behalten. Doch das schafft sie nicht, der Tod ist schneller.
Ein wenig aufhalten lässt er sich. Aber dazu muss man sich beeilen. Ganz schnell beeilen.
Die beiden Frauen waren in dieser Nacht nicht in ihr Zimmer zurückgekommen, sodass Anna die ganze Kammer für sich hatte. sie wunderte sich nicht über den Verbleib ihrer Mitbewohnerinnen. Entweder gingen sie einem nächtlichen Gewerbe nach, oder sie hatten die Zeche geprellt und waren auf und davon, so dachte sie.
Anna schlief in Seelenruhe ein, zumal der Junge am Nachmittag mit einem weiteren Haufen Geld heimgekehrt war und versichert hatte, dass ihn niemand, aber auch wirklich niemand beim Stehlen erwischt hätte. Keiner hatte auch nur den Verdacht geschöpft, dass dieser höfliche kleine Kerl den Damen in die Tasche langte, wenn er ihnen behilflich war, schwere Waren zu tragen oder sie einfach nur nach dem Weg fragte.
Nahezu zwanzig Taler waren zusammengekommen. Ein fast unermessliches Vermögen für solch arme Menschen, wie die drei es waren, und dennoch wussten sie nur zu gut, dass man fortan sparsam damit umgehen musste. In einer großen Stadt ließen sich solche Diebereien verhältnismäßig unerkannt begehen, in einer Kleinstadt oder gar in einem Dorf war daran nicht mehr zu denken. Außerdem liefen dort auch nicht so viele Menschen mit so viel Geld in den Taschen umher.
Hans Mergel wurde zum Finanzverwalter erklärt und nähte die Münzen sorgsam in den Saum seines neuen Umhangs ein. Jede einzeln, sodass er bei Bedarf mühsam immer nur eine herausnehmen konnte. Eine Vorsichtsmaßnahme, die vor allem vor der Versuchung schützen sollte, unnötig viel Geld auszugeben.
Was die Begegnung mit den Hauptmännern betraf, so machte sich Anna keine weiteren Gedanken, denn erstens war der unbekannte Edelmann ohnehin nicht unter ihnen gewesen – das hatte sie gesehen -, und zweitens waren sie mit sicherheit nicht auf der suche nach drei Trossleuten, die ohnehin aus dem Heer verbannt worden waren. Und aus diesen vielen Gründen also verbrachte Anna eine ruhige Nacht.
Am nächsten Morgen jedoch war es mit der Seelenruhe vorüber, denn Anna hielt beim Erwachen in ihrer rechten Hand eine sanduhr.
Vor schreck warf sie das Ding auf den Holzboden, sodass es zerbrach. Der Sand verteilte sich zwischen die Ritzen der Dielenbretter und rieselte in feinen Prisen auf die Tische der darunterliegenden Gaststube. Was es mit der Sanduhr auf
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