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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Außerdem wissen wir doch gar nicht, ob wir ihn so einfach mit nach Bayern nehmen dürfen.«
    »Was ich dich schon die ganze Zeit fragen wollte, Anna: Wer ist eigentlich dieser Mann, der uns den Jungen anvertraut hat? War ja nicht so ganz bei sinnen, als das alles vonstattenging, aber ich kann mich erinnern, dass du ihn sehr wohl ebenfalls kanntest.«
    Anna wurde rot. »Er ist ein Reiter, dem Liese und ich einmal geholfen haben, als er sich im Wald verirrt hatte und von Wegelagerern verfolgt wurde.«
    »Und da ist er dann so dankbar, dass er uns bei unserer Flucht behilflich ist und uns auch noch eine Unterkunft besorgt? sehr merkwürdig.«
    »Wieso ist das merkwürdig?«
    »Na, aber Anna, sei doch nicht so dumm. In diesen Zeiten bekommt man nichts geschenkt. Nicht einfach so. Da steckt überall was dahinter. Du musst immer misstrauisch sein, sonst bleibst du auf der Strecke. Vertrauen und Hochmut sind die schlimmsten Feinde des Lebens. Sieh dir Liese an: Vertraut hat sie zwar niemandem, aber hochmütig war sie, hat sich selbst keine Fehler eingestehen wollen, war zu stolz und musste deshalb sterben. Und du bist zwar nicht hochmütig, aber dafür viel zu vertrauensselig. Das darfst du nicht sein.
    Wie heißt die Alte, zu der er uns schickt? Am Ammersee soll die leben, nicht war?«
    »Gramshuber. sie lebt in der Nähe des Ortes Herrsching. Wir sollen uns durchfragen, wenn wir den see erreicht haben.«
    »Und die Alte hat einen Hof und braucht dort Gesinde. Habe ich das richtig verstanden?«
    »Ja, entweder sie oder andere Bauern in der Umgebung. Sie wird uns helfen, sobald ich ihr diesen Brief gegeben habe.«
    »Aha, einen Brief gibt es also. Zeig mal her.«
    »Er ist versiegelt, und ich glaube nicht, dass wir ihn öffnen sollten.«
    »Papperlapapp. Her damit! Wer weiß, was da drinsteht. Nachher ist es noch ein Mordauftrag oder Ähnliches. Will nicht mit einem dubiosen Schreiben in der Tasche erwischt werden. Was glaubst du, wie schnell wir dann einen Kopf kürzer sind.«
    »Nein, ich gebe ihn nicht her. Der Pfarrer im Ort soll ihn öffnen, und nicht du.«
    »Stell dich mal nicht so an. Was habe ich dir von der Vertrauensseligkeit erzählt, Anna? Na, was habe ich dir erzählt?«
    »Du kannst mir viel erzählen. Es geht dich einfach nichts an.«
    Anna fürchtete, dass in dem Brief Dinge standen, die ihr vor Hans Mergel peinlich sein könnten. Er sollte nicht wissen, wie gut sie den blonden Reiter tatsächlich kannte. Niemand sollte das wissen, auch die Tante nicht, doch bis dahin war es noch ein weiter Weg.
    Jetzt hieß es erst einmal, diesen neugierigen Alten von seinem Vorhaben abzubringen. Und das ging schneller, als sie dachte, denn Hans Mergel wurde plötzlich schwarz vor Augen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff er sich ins Gemächt, stöhnte laut auf und fiel stocksteif von der Holzbank, auf der er saß, nach hinten. Dort blieb er, am ganzen Körper bebend, auf dem Boden liegen.
    Das konnte nun nicht mehr vorgetäuscht sein, dachte sich Anna und fühlte den Kopf ihres treuen Begleiters. Er war glühend heiß.
    Im selben Moment kam Balthasar zur Tür herein. Er war draußen vor der Holzhütte gewesen, um an diesem sonnigen Wintermorgen den Eselskarren zur Weiterfahrt vorzubereiten.
    »Ich glaube, er hat ein schreckliches Fieber. Wir müssen ihn ausziehen und sehen, ob sich eine seiner Wunden entzündet hat. Hilf mir, Balthasar.«
    Zusammen machten sie sich daran, den zitternden Alten auf seine Bettstatt zu legen, um ihn dort zu entkleiden. Der Anblick der Wunde war mehr als nur besorgniserregend. Die Narbe war aufgeplatzt, und das Bein hatte bereits begonnen, sich graugrün zu verfärben. Anna hoffte inständig, dass Mergels Anfall noch kein Starrkrampf, sondern lediglich ein Schüttelfrost war. Würde er verkrampfen, dann wäre längst alles zu spät. Dann ließe sich nichts mehr machen. Nichts, als auf einen grausigen Tod zu warten. Was sollten sie jetzt nur tun?
    Abschneiden, abschneiden muss man das. Anders geht es nicht. Abschneiden. So ein Bein gehört abgeschnitten. Der wird verrecken, der Alte, verrecken wird er, wenn sie es nicht abschneiden. Von ganz oben mit einem scharfen Messer. Mit einer Axt sogar, anders geht es nicht.
    Die Frau muss das machen, die Frau und der Junge. Man muss es ihnen sagen. Eine Schnur nehmen und fest um das Bein binden. Ganz oben drumbinden und dann ein Messer nehmen. Ein sauberes Messer nehmen und die Haut aufschlitzen. Nicht die grüne Haut, nur die gesunde Haut

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