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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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wurden, blieb er drei Tage lang in dem feuchten Keller sitzen. Am dritten Tag war dann der Soldat wieder erschienen und hatte ihn mitgenommen.
    Eine ganze Zeitlang hatte er dann mit diesem Soldaten umherziehen müssen. Auf den Märschen hatte der Mann den Jungen einfach mit einem Strick an sein Pferd gebunden, und während er ritt, musste Balthasar zusehen, dass er mit dem großen Tier schritt hielt und nicht ständig in den Schmutz fiel. Zu essen und zu trinken bekam er nur wenig, er wurde auch geschlagen und getreten. In den ersten Tagen hatte er viel weinen müssen, doch nach wenigen Wochen war er so abgehärtet, dass er sich kaum noch an bessere Zeiten erinnern konnte.
    Fast ein Jahr lang begleitete er den Soldaten, dessen Name Heinrich Pfifferling war. Er putzte seine Stiefel, stahl für ihn Geld, fütterte und striegelte sein Pferd und ging sogar auf die suche nach leichten Mädchen für seinen Herrn, wenn diesem danach war. Aus dem wohlbehüteten Kaufmannssohn wurde ein mit allen Wassern gewaschener Trossbube.
    Dann kam die Schlacht von stadtlohn – das war im August 1623, so Hans Mergel -, und aus dieser Schlacht kehrte Heinrich Pfifferling nicht mehr lebendig zurück. Der erst siebenjährige Balthasar machte sich auf die Suche nach seinem Herrn und fand ihn auf dem Schlachtfeld mit zerschossenem schädel unter einer Hecke liegend vor. Er konnte ihn lediglich anhand seines goldenen Talismans identifizieren, einer kleinen Marienfigur, der allerdings der Kopf fehlte. Balthasar nahm das goldene Figürchen an sich und vergaß nicht, beim Weggehen dem Leichnam seines Peinigers einen Tritt in den Allerwertesten zu verpassen.
    Wieder im Tross angekommen, vermisste der Junge, sosehr er ihn gehasst hatte, Heinrich Pfifferling. Ohne ihn wusste er nicht, wie er überleben sollte. Zunächst schloss er sich für fast zwei Jahre einer Gruppe von Kriegswaisen und vergessenen Geiselkindern an, von denen es im Tross nur so wimmelte. Hier konnte er seine Qualitäten als Taschendieb vervollkommnen, doch nachdem er sich mit dem Anführer der Gruppe, einem erst zwölfjährigen Zigeunerburschen, wegen eines gestohlenen Silberlöffels so anlegte, dass dieser ihn windelweich schlagen ließ, musste er sich eine andere Bleibe suchen. Und diese fand Balthasar schließlich bei Leutnant Karl Fengler. Fengler war auf den schönen Knaben durch Zufall aufmerksam geworden, hatte dieser doch versucht, ihm einen Geldbeutel aus der Satteltasche zu ziehen. Doch anstatt ihn zu bestrafen, nahm der Mann den Kleinen bei sich auf.
    Was Verpflegung, Kleidung und Unterkunft betraf, konnte Balthasar sich nicht beklagen. Ja, er erhielt sogar wieder Schulunterricht und konnte sich plötzlich an im Elternhaus Erlerntes erinnern, obwohl er alles längst vergessen geglaubt hatte. So blühte der Junge äußerlich auf, während seine Seele stärker denn je leiden musste. Denn Fengler – und darüber schwieg Balthasar sich aus – verlangte für all die Güte und Milde, die er dem Knaben entgegenbrachte, als Gegenleistung Dienste, an die zu denken dem Jungen noch Jahre später körperliche und seelische Schmerzen bereitete.
    Anna wusste, worum es ging, hatte sie doch auf der Suche nach ihrem Wohltäter, kurz vor Lieses und Thereses Hinrichtung, durch die alte geschwätzige Magd vom Schicksal des Jungen erfahren. Auch Hans Mergel war lebenserfahren genug, um zu ahnen, welches Schicksal dem Jungen widerfahren war. Beide jedoch sagten nichts dazu und nickten, als der Junge ihnen erzählte, dass es ihm bei Fengler eigentlich gutgegangen sei und dieser ihn – ansonsten – wie einen Sohn behandelt habe. Nur an seinen traurigen Augen war zu erkennen, dass er Wesentliches verschwieg.
    Weil er dort einen besseren Posten erhielt, wechselte Fengler bald in das neu aufgestellte Wallensteinsche Heer und nahm den Jungen mit. Dort fand der weltoffene, zwar kultivierte, aber dennoch trinkfreudige Mann schnell neue Freunde und endlich auch solche, die all seine Vorlieben, selbst die dunkelsten, teilten. Für Balthasar begann eine noch schrecklichere Zeit, die er mit den Worten beschrieb: »Fengler trank viel und nahm mich mit zu seinen Festen. Dort waren nur er, zwei weitere Rittmeister und eine Handvoll Buben, meist jünger als ich. Es waren keine schönen Feste.«
    So ging es jahrelang. Fengler selbst verlor irgendwann das Interesse an dem Knaben, aber dennoch gab es immer wieder Anlässe, an denen er ihn anderen andiente. Immerhin war Balthasar noch jung und entwickelte

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