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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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aufschlitzen. Abschälen muss man die gesunde Haut, abschälen und nach oben falten.
    Dann kommt die Axt, kräftig hauen, damit der dicke Knochen ordentlich entzweigeht. Branntwein draufgießen und zunähen. Sorgfältig zunähen , auch die blutenden Adern zunähen, damit sie nicht weiterbluten. Zunähen, aber nicht brennen. Bloß nicht brennen. Das machen die dummen Feldscher so, und dann sterben die Soldaten, sterben fast immer. Besser nähen. Adern zunähen und dann die gesunde Haut wieder zurückfalten und auch zusammennähen. Wie ein Kissen. Ja, wie ein Kissen zusammennähen. Bloß nicht brennen, keine Scharlatanerie. So wird es gemacht. So wird es richtig gemacht. So wird der Alte nicht sterben.
    Genau das muss man der Frau sagen. Wie soll man es ihr sagen? Wie soll das gehen? Sie muss es wissen. Der Alte soll doch leben, soll sie doch beschützen, wenn man wieder zurückgeht. Irgendwie muss man es ihr sagen.
    In den Süden will sie doch. An den See. Zur Bäuerin Gramshuber. Das wird man sich merken.

XVI

    Anna war ratlos. Dem alten Hans Mergel ging es von Stunde zu Stunde schlechter. Zwar hatte sie die Wunde, so gut es möglich war, gereinigt und selbst das faulige Fleisch weggeschnitten. Doch das Fieber stieg immer weiter. Langsam begann der Kranke zu fantasieren.
    Balthasar war nun schon seit zwei Stunden unterwegs. Er wollte sich nach Wildungen aufmachen, um dort nach einem Bader oder Medicus zu fragen. Geld hatten sie genug. Doch würde sich ein Arzt bereiterklären, mit einem fremden Knaben in einen meilenweit entfernten Wald zu marschieren?
    Anna hielt es nicht weiter aus, auf die Rückkehr des Knaben zu warten. Sie musste etwas unternehmen, und wenn sie einfach ins nächste Dorf ging, um dort nach dem Schmied oder der Hebamme zu suchen. Irgendjemand musste sich dort doch auch ein wenig auskennen. Wie konnte sie nur so dumm sein und Balthasar so weit fortschicken? Niemals würde er rechtzeitig Hilfe holen können.
    Und dann war da auch noch dieses merkwürdige Geräusch. Ein leises, aber ständiges Scharren. Irgendetwas war in diesem Raum, hier in der nur spärlich beleuchteten Hütte. Ein Tier, ein Kobold? Nein, Waldgeister gab es nun wirklich nicht. Vielmehr war er es, der Tod. Der Sensenmann, der hier irgendwo in einer finsteren Ecke stand, um den lieben Mergel zu holen. Oder wollte er Anna holen? Hatte er vielleicht statt einer Sen-se eine Sanduhr dabei? War es gar nicht das grinsende Skelett, vor dem sie sich als Kind immer so gefürchtet hatte? War es gar nicht der Tod an sich, sondern ihr Tod, ihr ganz eigener Tod? Ihr Tod aus Fleisch und Blut, ein ganz normaler Mann, den allein irrwitzige Gelüste zu seinen Taten schreiten ließen? Der Mörder, der sie nun endlich gefunden hatte, um sein lang gegebenes Versprechen einzulösen – war er hier?
    Anna holte tief Luft. Nein, sie waren allein. Mergel und sie, allein mit ein paar Mäusen, Eichhörnchen und Mardern. Niemand anders außer ihnen war hier – und das war nicht gut. Denn der Alte würde bald sterben, sehr bald. Deshalb musste Anna handeln, sie musste handeln und Hilfe holen. Nicht jammernd und verängstigt nach dem Sensenmann Ausschau halten, sondern endlich laufen und Hilfe holen.
    Sie machte dem Fiebernden noch einmal Wadenwickel und verabreichte ihm einen ordentlichen Schluck Wasser, dann ging sie.
    Es dauerte eine Weile, bis Anna die nächste Ortschaft erreicht hatte, und dort wurde ihre Bitte nicht eben mit der größten Freundlichkeit aufgenommen.
    Der Schmied ziehe zwar hin und wieder Zähne, doch mit entzündeten Wunden habe er nichts zu tun. Nein, so sagte seine Frau, sie würde ihren Mann bestimmt nicht mit einer dahergelaufenen Vagabundin in den Wald lassen. Und was die Hebamme beträfe, so hätten sie bis vor einigen Wochen zwar eine gehabt, doch die sei nun auf und davon, seitdem man ihre Schwester in Wildungen verbrannt habe. Angst habe sie gehabt, die dürre Hexe, dass es ihr ähnlich ergehen würde.
    Auf die Frage, wie es in anderen Dörfern mit möglicher Hilfe bestellt sei, winkte man nur ab und riet Anna, sie solle sich doch lieber selber helfen. Dann wurde die Tür zugeschlagen.
    Tatsächlich erging es ihr im nächsten Ort ähnlich, und auch im übernächsten hatte sie kein Glück, sodass sie sich vollkommen entkräftet und mit der Gewissheit, den alten Mergel nicht mehr lebendig vorzufinden, zu ihrer Holzhütte zurück begab.
    Auch Balthasar war kein Erfolg vergönnt gewesen. Drei Ärzte hatte er in der Stadt Wildungen

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