Des Teufels Werk
Anständiges zu essen. Das waren die Nächte, in denen Lily ins Dorf ging und dort Hilfe suchte.«
Das Ganze hatte eine schreckliche Logik. »Wieso hat kein Mensch Madeleine gesehen?«, fragte ich.
»Weil sie sich versteckt hielt. Und wenn jemand an die Haustür gekommen wäre, hätte sie einfach behauptet, sie wäre gerade angekommen und hätte Lily in schlimmster Verfassung vorgefunden. Aber das ist nie passiert.« Er lachte dumpf. »Genau wie sie es vorhergesagt hat. Sie sagte, wenn ihre Mutter stürbe, würde der Leichnam wochenlang unbemerkt im Haus liegen. Bis vielleicht Jess einmal vorbeikäme.«
Ich sah zu Jess hinüber, sie hielt den Kopf gesenkt. »Warum hat sie sich nicht gezeigt, als Jess Lily draußen am Weiher fand?«
»Sie hatte Angst. Sie hatte ihren Wagen hinten in die Garage gestellt, damit er nicht gesehen würde – und das tat sie normalerweise nie. Außerdem war das Haus dunkel, und sie hatte keine Erklärung dafür, warum sie nicht gleich bei ihrer Ankunft Licht gemacht hatte, um nach ihrer Mutter zu sehen.« Er machte eine kleine Pause. »Du hast sie gerettet, Jess, als du Lily auf den Hof mitgenommen hast. Wenn du geblieben wärst und den Rettungsdienst angerufen hättest, hätte Madeleine im Haus in der Falle gesessen.«
Als Jess nichts sagte, sprach Nathaniel weiter. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ihr deswegen ein Strafverfahren anhängen wird. Du hättest das vielleicht gern, aber« – er stockte kurz, als müsste er überlegen, wie offen er sein wollte –, »aber ich glaube, du hättest das hier nicht inszeniert, wenn du echte Beweise gegen sie in der Hand hättest.«
»Die haben wir jetzt«, warf ich ein. »Sie haben alle offenen Fragen beantwortet.«
»Ich kann nichts davon beschwören – ich war nicht dabei –, und Madeleine wird alles leugnen. Ich habe überhaupt nur gesprochen, weil ich hoffe, ihr werdet aus Rücksicht auf Hugo nichts weiter unternehmen.« Er wandte sich an Jess. »Du weißt, was passiert, wenn du damit an die Öffentlichkeit gehst, Jess. Madeleine wird allen außer sich selbst die Schuld geben – mir natürlich auch – und der Einzige, der darunter leiden wird, ist der Junge. Das möchte ich auf keinen Fall.«
»Wenn ich sofort zur Polizei gehe –«, begann Madeleine.
»Dann bist du fertig«, fuhr er sie an. »Siehst du das denn nicht? Ganz gleich, was du tust, du bist fertig. Wenn du im Voraus versuchst, dich zu rechtfertigen, wird Jess den Film in aller Stille verschwinden lassen und zusehen, wie du dir selbst den Strick zum Hängen drehst – und wenn du es darauf ankommen lässt und sie die DVDs verschickt, landest du mit ihr zusammen bei der Polizei. Sie und Connie wird man vielleicht wegen Erpressung drankriegen, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was dir blüht, wenn du nicht endlich dein dummes Mundwerk hältst.«
Jess hob den Kopf. »Es ist keine Erpressung, wenn wir es der Polizei übergeben«, sagte sie. »Dann ist es Beweismaterial.« Sie sah mich unsicher an. »Was soll ich tun? Ich weiß es nicht mehr.«
Mir ging es genauso. Ursprünglich war es uns darum gegangen, Jess ein Druckmittel gegen Madeleine in die Hand zu geben, damit sie sich endlich reinen Gewissens von dieser Person befreien konnte. Gemäß Lilys Testament würde Madeleine irgendwann das Geld erben, und über die Geschichte der beiden Familien brauchte niemals etwas bekannt zu werden. Wir hatten außerdem gehofft, wir könnten sie heim nach London scheuchen, ohne dass sie mit Bagley sprechen würde. Es gab da eine Leinentasche und eine DVD, die ich vor der Polizei versteckt hatte, da ich beide als mein Privateigentum betrachtete. In erster Linie erboste mich jedoch die Vorstellung, dass meine Geschichte einer Frau in die Hände geraten würde, die sie zweifellos an den Meistbietenden verkaufen oder aber dazu benützen würde, sich wichtig zu machen. Sie würde in ganz London mit meinem Namen und Einzelheiten meiner Gefangenschaft hausieren gehen, wenn sie glaubte, dabei könne etwas für sie herausspringen.
Jess war skeptisch gewesen, als ich ihr am vergangenen Abend den Plan unterbreitet hatte. »Selbst wenn sie sich dazu hinreißen lässt, etwas zu sagen, was ihr schadet, wird sie dem Hausverkauf nie zustimmen. Was machen wir dann? Es macht mir überhaupt nichts aus, sie zu filmen und zu erpressen« – ihre Augen blitzten mutwillig –, »im Gegenteil, ich werde es genießen, aber wir können das nicht wirklich durchziehen. Die ist doch wie der
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