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Des Teufels Werk

Titel: Des Teufels Werk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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gelöst, die es gehalten hatten –, aber mir gefiel es irgendwie. Abgesehen von meinem Ausflug in den Irak hatte ich die letzten zwei Jahre in einer minimalistischen Wohnung in einem Hochhaus in Singapur gelebt, wo der Raum knapp war, Creme die vorherrschende Farbe, und die Möbelstücke mir nicht übers Knie reichten. Das Ganze war grauenhaft unpraktisch – Rotwein war ein Alptraum – und grauenhaft ungemütlich – ich stieß mir bei jedem Schritt die Schienbeine an –, doch jeder, der die Wohnung sah, hatte sich über die Eleganz des Innenarchitekten ausgelassen.
    Das hier war das Gegenteil. Geräumig, hoch und rotweinfreundlich. Die verblasste Tapete in Blau- und Grüntönen mit japanischen Pagoden, zart gefiederten Trauerweiden und exotischen fasanähnlichen Vögeln hing hier sicher schon fünfzig Jahre, die Möbel, groß und klobig, waren gemeiner viktorianischer Pomp. Unter dem einen Treppenflügel stand eine stark mitgenommene Kommode, unter dem anderen ein lederner Ohrensessel, aus dem Rosshaar hervorquoll, und in der Mitte ein hässlicher Eichentisch mit einer Topfpflanze aus Plastik. Der fadenscheinige Axminster-Teppich darunter weckte vielleicht ein Gefühl des Wiedererkennens, er erinnerte mich an den, den wir in Simbabwe gehabt hatten. Mein Großvater hatte ihn mit großem Zeremoniell angeschleppt und dann allen verboten, darauf zu treten.
    Die Stimme Peter Colemans brach das Schweigen. »Kommst du nie auf den Gedanken, dass du dich irren könntest?«
    »Inwiefern?«
    »Im Augenblick mit deinen Mutmaßungen über die Frau da draußen. Du nimmst einfach an, sie kriegt sich von allein wieder in den Griff und kommt zu uns herein – aber angenommen, es ist nicht so?« Er machte eine Pause, um ihr Gelegenheit zu geben, etwas darauf zu antworten, und sprach weiter, als sie es nicht tat. »Vielleicht sind ihre Ängste real, vielleicht hat sie vor etwas Greifbarem Angst? Was weißt du denn über sie?«
    »Nichts, außer dass sie einen südafrikanischen Akzent hat und den Trick mit den Papiertüten kennt.«
    »Ah!«
    »Was soll das heißen?«
    »Das erklärt, warum du glaubst, dass sie aus freien Stücken ins Haus kommen wird. Papiertüten sind für dich, was Blutegel für die Quacksalber des sechzehnten Jahrhunderts waren – das Allheilmittel.«
    »Sie sind jedenfalls verdammt weniger schädlich als Valium.«
    Peter Coleman ließ ein geringschätziges Prusten hören. »Dich haben nicht die Papiertüten geheilt, Jess, sondern dass du die Farm weitergeführt hast. Du hast mit unheimlichem Mut die Sache angepackt und ungeheur schnell dazugelernt. Zeig mir die Papiertüte, die dir beigebracht hat, wie du deine Hand einer Kuh in den Hintern schieben musst, um bei der Geburt eines Kalbs zu helfen.« Er hielt inne.
    »Was weißt du schon davon?« Ich hörte, wie krachend eine Tür aufflog. »Ich gehe jetzt raus und schau nach, ob sie immer noch in ihrem Auto sitzt.«
    »Gute Idee.« Wieder folgte ein langes Schweigen.
    Ich blickte zur Haustür, in der Erwartung, dass Jess dort wieder hereinkommen würde, aber ich hörte ihre Stimme wieder aus der Küche. »Sie ist nicht da. Sie muss im Haus sein.«
    »Und was passiert jetzt?«
    Zum ersten Mal lag Unsicherheit in ihrer Stimme. »Vielleicht sollten wir ein Geräusch machen, damit sie weiß, wo wir sind. Wenn wir plötzlich vor ihr stehen, bekommt sie vielleicht einen Schrecken.«
    »Na schön«, sagte er neckend. »Was soll ich tun? Stepptanzen? Topfschlagen?«
    »Red keinen Quatsch.«
    Sein Ton wurde sanfter, als lächelte er. »Wenn sie es bis zur Haustür geschafft hat, kannst du sie ohne Sorge hereinbitten, denke ich. Ich setze inzwischen Teewasser auf. Hoffen wir, sie hat ein paar Beutel mit. Wenn Madeleine welche von Lilys übrig gelassen hat, sind sie vermutlich schon verschimmelt. Komm, geh schon. Man weiß doch nie, vielleicht überrascht sie dich.«
    Erst später, als ich im Bad einen Spiegel entdeckte, erkannte ich, wie schrecklich ich aussah. Mein T-Shirt und der lange dünne Rock schmeichelten mir gar nicht, sie klebten mir an jedem spitzen Knochen und verrieten, wie dünn ich war. Meine Augen hatten dunkle Ringe, mein Haar sah aus, als wäre es mit Pomade eingeschmiert worden, und mein ganzes Gesicht war voller großer roter Flecken. Ich hätte mich selbst für eine depressive Geistesgestörte gehalten, da war es kein Wunder, dass Jess und Peter Besorgnis zeigten, als sich mich sahen.
    Außerdem muss ich zornig ausgesehen haben, denn Jess war ganz

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