Des Todes Liebste Beute
würde. Die er selbst glauben konnte.
Das spielt keine Rolle.
Und ob es das tat.
Wir können ein Kind adoptieren.
Die Ironie war beinahe unerträglich.
Einen Moment lang betrauerte er den Verlust. Niemals würde er sie rund und prall und mit riesigem Bauch erleben. Niemals würde er den Bauch streicheln können und das Baby treten und boxen fühlen. Er würde niemals hinter ihr stehen, wenn sie sich durch die Wehen kämpfte. Er würde niemals mit seinem eigenen Kind auf dem Arm in der Kirche stehen, während seine Familie stolz der Taufe zusah. Er würde nichts von dem tun können, was er bei Sean und Ruth in den vergangenen Jahren mit Neid und Sehnsucht beobachtet hatte. All das würde nicht für ihn sein. Nicht für
sie beide
sein.
Denn letztendlich ging es um sie beide. Ob sie nun ein Haus voller Kinder hatten oder nicht. Denn letztendlich liebte er sie, und sie hatte gesagt, dass sie ihn liebte.
Kristen beobachtete ihn und sah, wie er begriff. Sah in seinen Augen, wie sein Traum langsam starb. Er saß nur da und sagte kein Wort, und plötzlich konnte sie es nicht mehr ertragen. Sie stand auf und ging in ihr Schlafzimmer, um aus dem Fenster zu blicken.
Abe sah ihr nach. Er hatte solche Angst, dass er das Falsche sagen würde, dass er lieber gar nichts sagte. Dann klingelte sein Handy, ein grässliches Trillern in der absoluten Stille.
»Reagan.«
»Detective Reagan, hier ist die Krankenschwester der Intensivstation im County-Krankenhaus.«
Sein Herz sank. Nicht auch das noch. Er hatte keine Ahnung, ob Kristen eine weitere schlechte Nachricht verkraften konnte. »Ja, ich erinnere mich. Wie geht es Vincent?«
»Mr. Potremskis Zustand ist unverändert. Deshalb rufe ich nicht an. Ich wollte Ihnen sagen, dass der junge Mann zurückgekehrt ist. Timothy. Er will Vincent besuchen.«
Abe sprang auf die Füße. »Können Sie ihn eine halbe Stunde festhalten?«
»Ich werde es versuchen.«
Abe lief ins Schlafzimmer und blieb dort wie angewurzelt stehen. Kristen stand am Fenster, die Arme um den Körper geschlungen, und starrte hinaus. Selbst aus der Entfernung war das heftige Zittern zu sehen, und er wusste, dass sie am Ende war. Sie konnte nicht mehr. Sie musste nicht noch quer durch die Stadt geschleift werden. Er wusste, wie wichtig es ihr war, die Kontrolle zu behalten – oder zumindest den Anschein davon zu wahren. Sie musste hier bleiben und eine Chance bekommen, sich wieder zu sammeln. Er würde mit diesem Timothy reden, hierher zurückkommen und ihr dann zu versichern versuchen, dass alles gut werden würde.
»Kristen, ich muss kurz weg.« Er ließ seine Stimme so sanft klingen, wie er konnte. »Ich rufe Aidan an, damit er herkommt, bis ich zurückkehre.« Er ging zu ihr und stellte sich hinter sie, ohne zu wissen, was er sagen oder tun sollte. Schließlich zog er sie einfach an sich und spürte das entsetzliche Zittern ihres Körpers. »Leg dich ein bisschen hin. Wir reden später.«
Sie nickte und erlaubte ihm, sie zum Bett zu führen, wo sie sich hinsetzte. Sie war stumm, so still. Er hob ihr Gesicht, küsste sie zärtlich und ging. Er spürte, dass sie ihm hinterhersah.
Samstag, 28. Februar, 14.15 Uhr
Natürlich spielte es eine Rolle. Kristen hatte nur in sein Gesicht sehen zu müssen, um zu begreifen, wie wichtig es ihm war. Dennoch hatte sie darauf gewartet, dass er ihr sagte, alles würde gut werden. Dass er sie dennoch liebe und sie glücklich werden konnten. Aber er hatte nichts dergleichen gesagt.
Er hat aber auch nicht gesagt, dass es aus ist.
Die Vernunft begann, sich durchzusetzen, doch die Vernunft war ein jämmerlicher Ersatz für die Worte, nach denen sie sich verzweifelt sehnte. Seufzend stand sie auf und ging durchs Haus. Es war so still. Zum ersten Mal seit über einer Woche war sie allein im Haus. Es war enervierend.
»Hierher, Kittykätzchen«, sagte sie, nur um ihre eigene Stimme zu hören. Es war hier immer schon ruhig gewesen, aber sie hatte nicht gewusst, wie sehr sie es verabscheute, bevor sie Abe Reagan kennen gelernt hatte. Sie wünschte sich in Kyles und Beccas Haus mit dem plärrenden Fernseher und dem konstanten Lärmpegel. Als Nostradamus sich an ihren Beinen rieb, fuhr sie zusammen. Sie hatte die Katzen nicht mehr gesehen, seit sie die Wand eingerissen hatte. »Komm, besorgen wir dir etwas zu essen.«
Aber sie hatte keine Küche mehr. Sie sah sich um und fragte sich, was aus ihrem Geschirr geworden war. Sie nahm an, dass Annie es irgendwo verstaut hatte, aber
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