Des Todes Liebste Beute
»Natürlich wird nicht gerade viel zum Analysieren zu finden sein. Er war nicht einmal hier, das wissen wir ja.«
Und ob sie das wussten. Der Bastard hatte offenbar die Überwachungskameras entdeckt, denn das Band zeigte nur einen jungen Mann, der das Paket brachte. Sie hatten ein gutes Bild von seinem Gesicht und dem Schriftzug seiner Schule auf der Jacke, sodass sie ihn leicht finden würden.
Dennoch war Jacks Team noch immer dabei, die Veranda und den Garten zentimeterweise abzusuchen. Ein Anruf beim Nachbarn brachte ans Licht, dass die Schachtel bereits um fünf Uhr nachmittags dort gestanden hatte, als er von der Arbeit nach Hause gekommen war, aber darüber hinaus hatte niemand etwas gesehen oder bemerkt.
Jack deutete auf die Schachtel. »Machen wir sie auf?«
Abe seufzte. »Okay. Dann los.«
Jack hatte bereits Kristens Küchentisch mit weißem Papier bedeckt. »Ich gehe nicht davon aus, dass wir Fingerabdrücke finden werden, aber man weiß ja nie. Also dann.« Er schnitt die Schachtel mit einem scharfen Messer auf und zog einen Briefumschlag heraus. Ein Blick auf den Inhalt, und er ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen. »Lieber Gott.«
Kristen sprang auf die Füße. »Was?«
Jack schaute auf, das Gesicht leichenblass. »Trevor Skinner.«
»Oh, nein!« Kristen setzte sich zurück. Auch aus ihrem Gesicht wich alle Farbe. »So etwas habe ich befürchtet«, flüsterte sie. »Er hat die Verteidiger auf seine Liste gesetzt.«
Abe nahm Jack den Umschlag ab. Er hatte von Skinners Ruf gehört. »Kannten Sie ihn gut?«
Sie nickte, noch immer wie betäubt. »Wir sind ziemlich oft aneinander geraten. Er war gnadenlos. Mir graute es davor, mit ihm im Gerichtssaal zu sein. Er ging mit den Opfern beinahe brutal um, nahm ihre Aussage auseinander, bis … bis nichts mehr übrig blieb.« Sie legte die Finger an die Lippen. »Ich kann es nicht glauben.«
Abe ließ den Inhalt des Umschlags auf den Tisch gleiten und entdeckte den Brief. »›Meine liebe Kristen. Ich bin froh, dass die sprichwörtliche Katze nun aus dem Sack ist. Ich hoffe, dass Sie es als tröstend empfunden haben, vom Tod dieser Bestien zu erfahren. Ich mache weiter, solange ich dazu in der Lage bin. Inzwischen fragen Sie sich vermutlich, warum ich dies tue, warum ich mir zur Aufgabe gemacht habe, die Stadt von jenen eiternden Geschwüren zu befreien. Es mag Ihnen genügen, dass ich meine Gründe dafür habe. Ich habe Mr. Trevor Skinner im Gericht erlebt, habe gesehen, mit welch erstaunlichem Geschick es ihm immer wieder gelungen ist, die Sympathien der Geschworenen von den Opfern abzulenken, bis die armen Geschädigten nicht einmal mehr in der Lage waren, für sich selbst zu sprechen.‹« Abe brach ab und sah zu Kristen hinüber.
»Ja, das hat er gut ausgedrückt. Ich konnte einwenden, was immer ich wollte, ihm fiel immer etwas Neues ein. Er war sehr beliebt als Verteidiger. Er schaffte es meistens, die Opfer so darzustellen, als seien sie an allem schuld und darüber hinaus schlimmer als die Angeklagten. Gerade bei Vergewaltigungsfällen war es schrecklich, das miterleben zu müssen.« Ihre Lippen zitterten. »Er gab den Frauen das Gefühl, sie seien wertlos und schmutzig«, endete sie kaum hörbar und sah mit glänzenden, feuchten Augen auf. »Ich bedauere, dass er ermordet wurde, Abe, aber ich bin froh, dass er keiner Frau mehr etwas Derartiges antun kann.« Sie blinzelte, wodurch zwei dicke Tränen über ihr Gesicht kullerten, und Jack nahm impulsiv ihre Hand.
»Wir hätte das besser in meinem Labor gemacht«, sagte er leise. »Nach allem, was heute schon passiert ist, dürfte das ein wenig zu viel sein.«
Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen, und entzog ihm behutsam die Hand. »Es geht schon, ich bin nur ziemlich aufgewühlt. Lesen Sie weiter. Ich möchte hören, was er noch zu sagen hat.«
»›Ganz nach dem biblischen Motto Auge um Auge, habe ich mir eine angemessene Strafe überlegt. Mr. Trevor Skinner ist gestorben, ohne ein Wort zu seiner Verteidigung äußern zu können. Möge dieses Wissen Sie trösten, liebe Kristen. Spätestens jetzt wissen die Verbrecher Chicagos, dass ich wachsam bin, wütend bin und mich nicht an das Recht und das Gesetz, wie der Staat es diktiert, gebunden sehe. Und damit verbleibe ich wie immer – Ihr ergebener Diener.‹« Abe seufzte. »›P. S.: Sie sollten wirklich erst eine Aufgabe beenden, bevor Sie die nächste in Angriff nehmen.‹«
»Was haben Sie denn Neues begonnen?«, fragte
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