Des Todes Liebste Beute
und wandte den Kopf zur Tür. »Reporter?«
»Schlimmer. Meine Schwester.« So war es. Rachel kam mit einer Busladung voller Teenager herein, und der Geräuschpegel im Restaurant stieg sofort in bedenkliche Höhe.
Dass Rachel ihn übersehen würde, war eine eitle Hoffnung. Dass sie Kristen nicht erkennen würde, ein schöner Wunschtraum. Selbst aus dieser Entfernung sah er, wie Rachels Augen sich plötzlich weiteten, und einen Augenblick später stand sie bereits an ihrem Tisch.
»Abe!« Sie beugte sich vor und küsste ihn geräuschvoll auf die Wange. »Ich wusste gar nicht, dass du hier bist. Hast du sie schon gefragt?«
Abe seufzte. Rachels Interview für ihr Schulprojekt. Bei allem, was vorgefallen war, hatte er es schlichtweg vergessen. »Nein, Rach, wir hatten ziemlich viel zu tun.«
Rachel sah ihn enttäuscht an. »Kannst du mich ihr dann wenigstens vorstellen? Dann kann ich selbst fragen. Abe? Bitte!«
Er seufzte erneut, diesmal tiefer. »Kristen Mayhew, dies ist meine jüngste Schwester Rachel. Rachel, dies ist die Zweite Staatsanwältin Kristen Mayhew.«
Samstag, 21. Februar, 19.30 Uhr
»Er möchte nicht gestört werden.«
Jacob Conti hörte die Stimme seines Butlers draußen vor der Tür seines Arbeitszimmers, in dem aus dem Lautsprecher die letzten Klänge seiner Lieblingsarie drangen. Normalerweise war dies für ihn die entspannendste Methode, einen Tag ausklingen zu lassen, doch heute war es eine Farce. Angelo wurde vermisst, Elaine war in Tränen aufgelöst, und Jacob wusste, dass nun schlechte, sehr schlechte Nachrichten auf ihn warteten.
»Ich bin sicher, dass er mich sprechen will«, sagte Drake Edwards.
Nein, ich will dich nicht sprechen,
dachte Jacob. Dennoch griff er nach der Fernbedienung und schaltete die Musik aus. »Lassen Sie ihn rein.« Er erhob sich, wütend, dass seine Beine zitterten. Doch als er Drakes Miene sah, sank er auf seinen Stuhl zurück. Sein Sicherheitschef sah grimmig aus.
»Tut mir Leid, Jacob«, sagte Drake ruhig. Er holte einen Schlüsselbund aus seiner Tasche, und Jacob erkannte augenblicklich das Northwestern-Emblem, das daran befestigt war. »Wir haben die Corvette gefunden. Ein paar Kids behaupten, sie hätten den Schlüssel auf dem Vordersitz entdeckt und die Gelegenheit zu einer Spritztour genutzt.«
»Und Angelo?« Jacobs Stimme war heiser.
Drake schüttelte den Kopf. »Er wurde zuletzt in einer Bar auf dem Campus gesehen. Seine Freunde sagen, dass er viel getrunken hatte, aber kein Taxi nehmen wollte.«
Dieser dumme, dumme Junge. »Das sieht ihm ähnlich. So was tut Angelo nicht.«
»Jacob, wir …« Drake schloss die Augen, und sein Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an. »Wir haben auf dem Sitz Blutspuren gefunden.«
Jacob holte tief Luft. Er würde es Elaine sagen müssen. Und es würde sie umbringen. »Ich werde Mrs. Conti Bescheid geben, sobald wir sicher sind. Such weiter, Drake. Und setz Leute auf Mayhew und diese beiden Detectives an – Mitchell und Reagan. Laut Richardson hat der Killer Mayhew Briefe geschickt. Wenn Angelo –« er zwang sich weiterzusprechen »– etwas zugestoßen ist, dann werden sie es bald erfahren.«
Drake nickte steif. Auch für ihn musste es hart sein, dachte Jacob. Drake und er hatten sich kennen gelernt, lange bevor er noch Jacob Conti, der reiche Chicagoer Industrielle gewesen war. Drake war seine rechte Hand gewesen, seit er alte Damen betrogen und nebenbei die Drecksarbeit für andere gemacht hatte. Drake gehörte zur Familie. Er hatte Angelos Windeln gewechselt und ihn als Kind mit in den Zirkus genommen. Es musste auch ihm das Herz brechen.
»Ich habe bereits ein paar Leute auf die drei plus diese Richardson angesetzt«, sagte Drake nun. »Jacob, versuch, ein bisschen zu schlafen. Ich gebe nicht auf, bis wir Angelo gefunden haben.«
Nein, Drake würde nicht aufgeben. Das war Jacob sonnenklar.
Aber
habe ich noch einen Sohn, wenn wir ihn gefunden haben?
Samstag, 21. Februar, 21.30 Uhr
M it einem Gruß zum Streifenwagen bog Abe in ihre Einfahrt. Die Scheinwerfer beschienen ein anderes Fahrzeug unter dem Carport. »Mir scheint, Sie haben Besuch«, sagte er.
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, antwortete sie. Sie hatte nie Besuch. Außer ihm. »Wahrscheinlich hat die Autovermietung mir einen neuen Wagen hingestellt.« Kristen verengte die Augen, um im Dunkeln die Marke und das Modell des Fahrzeugs zu erkennen. »Ein Chevy.« Ihre Blicke begegneten sich. Die Atmosphäre zwischen ihnen war
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