Des widerspanstigen Zaehmung
offenbar nicht aufgefallen waren.
10. KAPITEL
Wieder ging ihr diese alte Redewendung „vom Regen in die Traufe" durch den Kopf. Sie fühlte sich von dem Erlebnis mit Sedgecroft nach wie vor ein wenig benommen, und nun wurde sie gleich von vier sehr geschwätzigen jungen Frauen in Beschlag genommen. Insgeheim fragte sie sich, ob eine von ihnen eine Vorstellung davon hatte, wie heiß sich ihr Gesicht anfühlte, und ob sie ihr ansehen konnten, dass ihre Lippen noch immer von seinen Küssen zitterten.
Natürlich wussten sie alle, was ihr am Vortag widerfahren war. Ihre beste Freundin Cecily Brunsdale, Tochter eines Viscounts, war eine ihrer Brautjungfern und damit Augenzeugin des Geschehens gewesen .Welche Reaktion Jane von den anderen zu erwarten hatte, konnte sie nicht sagen.
Mitgefühl? Peinliche Verlegenheit? Oder würden sie einfach vortäuschen, der grässliche Zwischenfall habe sich nie ereignet?
Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass die fehlgeschlagene Hochzeit lediglich flüchtiges Interesse auslöste. Zwar war den jungen Frauen das gestrige Ereignis Mitleid und ein wohlmeinendes, aber unsicheres Lächeln wert, doch nach kurzer Zeit hatten sie sich einem neuen Thema zugewandt. Viel wichtiger erschienen den vier Frauen nämlich die Details dieser völlig überraschenden Romanze mit dem weithin bewunderten Marquess of Sedgecroft.
„Eine Romanze?", sagte sie verwirrt, als die vier sie mit Fragen bestürmten. Nun war ihr Gesicht bestimmt feuerrot. „Wie kommt ihr auf die Idee, ich hätte eine Romanze mit ihm?"
„Was sollte es anderes sein?", erwiderte eine von ihnen leise.
„Eine Frau muss nur den Raum betreten, in dem sich Sed-gecroft aufhält, und fällt sofort seinem Charme zum Opfer", erklärte Miss Priscilla Armstrong, nach drei ereignislosen Londoner Saisons in Folge eine selbsterklärte Expertin in derartigen Angelegenheiten.
Cecily, schlank, dunkelblond und mit leuchtend grauen Augen, stellte sich sofort schützend vor Jane. „Muss ich dich denn erst daran erinnern, Priscilla, dass Sedgecroft Nigels Cousin ist? Es ist seine Pflicht, sich als ihre Begleitung zur Verfügung zu stellen, bis Nigel ... "
Bis Nigel ... was? Diese Frage schienen sich die Freundinnen alle zu stellen. Schließlich blickten sie erwartungsvoll zu Jane, ob sie einen Hinweis darauf gab, was geschehen würde.
Jane weigerte sich beharrlich, irgendein Wort verlauten zu lassen. Damit befolgte sie zugleich Graysons Hinweis, dass die Gesellschaft mit noch mehr Interesse reagierte, sobald sie sich in Schweigen zu hüllen begann. Zwar war ihr nicht daran gelegen, interessanter zu wirken, aber sie wollte sich auch nicht mit Sedgecroft anlegen. Wenn sein Verhalten in den letzten vierundzwanzig Stunden typisch für seine Entschlossenheit und Hartnäckigkeit war, hielt sie es für ratsam, sich nicht seinen Zorn zuzuziehen. Liebe Güte, es überforderte sie schon, mit ihm auf freundschaftlicher Ebene umzugehen, da wollte sie ihn ganz sicher nicht zum Feind haben.
„Ich habe zu dem Thema nichts weiter zu sagen", stellte sie mit einem Nachdruck klar, der von Stunde zu Stunde mehr von Herzen kam.
Doch die anderen nahmen von ihrer Bemerkung kaum Notiz, sondern hörten gebannt Miss Evelyn Hutchinson zu, die soeben ihre Meinung über Sedgecroft ausplauderte. Wie es schien, hatte sie den Mann bereits seit einiger Zeit mit einem fast wissenschaftlichen Eifer beobachtet und analysiert.
„Wisst ihr, was das Dienstmädchen seiner früheren Geliebten gesagt hat?"
„Welche von ihnen?", warf Lady Alice Pfeiffer ein, die sich bei dem Thema ebenfalls unüberhörbar auskannte.
„Mrs. Parks", antwortete sie.
„Sag schon", forderte Priscilla sie auf. „Jane hat ein Recht darauf, es zu erfahren." „Also, ich ..."
„Du solltest die Wahrheit über ihn wissen", unterbrach Cecily sie leise.
Jane war sich indes gar nicht so sicher, ob sie die Wahrheit wirklich wissen wollte. Sie reckte den Hals und suchte die Menge unbewusst nach ihrem mächtigen Störenfried mit den blauen Augen ab. Hoffentlich schimpfte er nicht schon wieder seine lebhafte Schwester aus. Jane fand Chloes Lebenslust ausgesprochen attraktiv, und sie nahm unter der rebellischen Schale ein verwundetes Herz wahr. O Gott, würde sie selbst jemals zur Zielscheibe seines löwengleichen Zorns werden? Ja, nämlich wenn er herausfand, was für einen durchtriebenen Plan sie in die Tat umgesetzt hatte.
Evelyn drückte ihren Fächer gegen das Kinn. „Mrs, Parks hat gesagt,
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