Deserteure (Orion 04)
Sie noch immer keinen Zusammenhang?« fragte sie Sherkoff.
»Nein!« erwiderte Tamara.
Cliff ahnte, was der Professor vorhatte und lächelte kurz.
»Passen Sie auf, Leutnant Jagellovsk«, sagte der Psychodynamiker und zog Tamara am Arm zu sich heran und drehte sie herum, so daß sie auf die Tasten des Programmierungspultes sehen konnte. »Setzen Sie sich bitte hierher!«
Er drückte sie auf den Sitz nieder.
»Wozu?« fragte Tamara widerstrebend und legte die beiden Strahler aus der Hand.
»Nur ein kleiner Test«, beruhigte sie Sherkoff. »Sie werden es gleich sehen.«
»Wollen Sie mir beweisen, daß ich auch verräterische Absichten bekomme, wenn ich mich dem Eingabeelement nähere?« fragte sie tonlos.
Sherkoff grinste niederträchtig.
»Genau das will ich!« bestätigte er.
»Da werden Sie aber eine bittere Enttäuschung erleben.«
»Warten wir es ab«, sagte Sherkoff. »Bitte programmieren Sie den von Commander McLane gewünschten Kurs.«
»Zehn/Ost 363!« sagte McLane.
Diesmal hörten sie alle den feinen, silbernen Ton, der ihre Hirne durchschnitt wie ein glühender Draht. Die Finger der GSD-Beamtin drückten die kleinen schwarzen Tasten nieder, und die Schreibapparatur übermittelte den Befehl dem Digitalrechner. Eine Sekunde später hatten die Schaltungen den detaillierten Steuervorgang ausgespien; ein Stück breites Plastikband schob sich aus dem Ausgabeschlitz und blieb stehen.
Tamara blickte mit aufgerissenen Augen an den Männern vorbei auf einen Punkt im Hintergrund. Sie befand sich völlig im Bann jener geheimnisvollen Macht, die ihr Gehirn beherrschte.
Hasso Sigbjörnson, Mario de Monti ... Tamara Jagellovsk.
Alle drei waren sie, solange sie vor dem Element gesessen hatten, in einer rätselhaften Hypnose gewesen. Willenlose Marionetten.
Langsam hob Tamara die Hände von der Tastatur.
Dann drehte sie sich um und ließ die Arme kraftlos heruntersinken. Sherkoff riß den Plastikstreifen ab und blickte darauf. Auf dem dunklen Stoff waren die Muster und Raster, die aus einer Vielzahl kleiner Punkte und Striche zusammengesetzt waren, deutlich zu sehen.
Der Professor gab den Streifen McLane, der die Koordinaten ablas und dann den Beweis weiterreichte. Er ging von Hand zu Hand – jeder sah, daß auch Tamara die Koordinaten des Feindes eingestellt hatte.
»Ich sagte es Ihnen schon«, erklärte Sherkoff. »Sämtliche Zusatzzahlen für einen Sprung aus den Grenzen heraus.«
Helga half Tamara von dem Sitz auf und blieb neben der Beamtin stehen.
»Nun, Tamara, was sagen Sie dazu?«
Langsam löste sich die GSD-Beamtin aus der Erstarrung und zwinkerte verwirrt mit den Lidern.
»Habe ich ... wirklich?« fragte sie leise. Es klang wie das Eingeständnis einer Niederlage.
Sherkoff gab ihr den Streifen. Sie studierte lange die Muster.
»Das ist doch völlig unmöglich!« sagte sie und holte tief Luft.
»Leider ist es so«, beharrte Sherkoff und drehte sich zu McLane herum. »Können Sie sich Tamara Jagellovsk als Verräterin vorstellen?«
McLane lachte befreit auf.
»Ausgeschlossen!« sagte er laut.
»Ich kann es auch nicht«, bestätigte Sherkoff. »Und deshalb stimmt meine Hypothese völlig.«
»Welche Hypothese?« fragte Hasso Sigbjörnson, der sich wieder erholt zu haben schien.
»Daß alles, was wir in den letzten Stunden erlebt haben, von außen gesteuert wird.«
»Wer steuert dies alles?« fragte der Commander.
»Derjenige, der auf Pietro und jetzt auf uns gewartet hat – und noch wartet.«
Die Extraterrestrier!
Nachdenklich und ohne eine Spur von Sarkasmus sagte McLane, indem er sich vor seinen Zentralschirm stellte und die Sternkonstellationen des Grenzbereiches Ost betrachtete:
»Es muß also den Fremden gelungen sein, die Arbeitsfrequenz des Komputers festzustellen. Oder genauer aller derjenigen Rechenanlagen, die in Station Destroy II verwendet werden, in der XERXES und in der ORION VIII. Dadurch sind die fremden Gedankenmuster in das System des Digitalrechners eingedrungen.
Die Rechenmaschine muß also gleichermaßen als Empfänger und als Sender gedient haben.
Offenbar sendet das Eingabeelement auf der Gehirnwellenfrequenz von menschlichen Wesen. Sigbjörnson, de Monti und Tamara sind die Opfer gewesen. Sie konnten nicht anders. Ich verzichte auf eine weitere Beweisführung und werde mich nicht an das Element setzen, sonst drehe ich auch noch durch.«
»Wir können den Vorgang als Telenose bezeichnen«, sagte der Professor, als McLane geendet hatte.
»Telenose?«
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