Désirée
nicht wahr?«
»Vor mir selbst verantworten. Eugénie. Nun – sag mir deinen Wunsch.«
»Ich bitte Sie, ihn zu begnadigen.« Stille. Das Feuer prasselte.
»Du meinst den Herzog von Enghien?« Ich nickte. Mit allen Fasern meines Ichs wartete ich auf seine Antwort. Erließ mich warten. Ich riss der Seidenrose auf meinem Hut ein Blatt nach dem anderen aus. »Wer hat dich mit dieser Bitte zu mir geschickt, Eugénie?«
»Das ist doch gleichgültig. Viele Menschen richten diese Bitte an Sie. Ich gehöre auch zu ihnen.«
»Ich will wissen, wer dich geschickt hat«, sagte er scharf. Ich zupfte an meiner Rose. »Ich frage, wer dich geschickt hat. Bernadotte?« Ich schüttelte nur den Kopf. »Madame, ich bin gewohnt, dass man meine Fragen beantwortet!« Ich sah auf. Er hielt den Kopf vorgestreckt, sein Mund war verzerrt, kleine Speichelbläschen standen in den Mundwinkeln. »Sie müssen mich nicht anschreien, ich fürchte mich nicht«, sagte ich. Und ich fürchtete mich wirklich nicht mehr vor ihm. »Ich erinnere mich, Sie spielen gern die mutige junge Dame. Ich erinnere mich an jene Szene im Salon der Tallien –«, sagte er zwischen den Zähnen.
»Ich bin gar nicht mutig«, sagte ich, »in Wirklichkeit bin ich sogar ein Feigling. Aber, wenn sehr viel auf dem Spiel steht, dann nehme ich mich eben zusammen.«
»Und damals im Salon der Tallien stand sehr viel für Sie auf dem Spiel, nicht wahr?«
»Alles«, sagte ich einfach und wartete auf die nächste höhnische Bemerkung. Sie blieb aus. Da hob ich den Kopf und suchte seine Augen. »Aber ich war schon vorher einmal sehr mutig. Das war damals, als mein Bräutigam – Sie wissen, ich war schon einmal verlobt, lange bevor ich General Bernadotte kennen lernte – damals, als mein Bräutigam nach dem Sturz Robespierres verhaftet wurde. Wir fürchteten, dass er erschossen werden sollte. Seine Brüder hielten es für sehr gefährlich, aber ich ging mit einem Paket Unterhosen und einem Kuchen zum Militärkommandanten von Marseille und –«
»Ja. Und gerade deshalb muss ich wissen, wer dich heute Nacht zu mir geschickt hat.«
»Was hat das damit zu tun?«
»Das will ich dir erklären, Eugénie. Die Person oder die Personen, die dich zu mir geschickt haben, kennen mich sehr genau. Sie haben wirklich eine Möglichkeit gefunden, um das Leben dieses Enghien zu retten. Ich sage nur – eine Möglichkeit. Es interessiert mich, wer so genau Bescheid über mich weiß, so klug diese Chance ausnützt und mir gleichzeitig politisch entgegenzuarbeiten versucht. Nun?« Ich lächelte nur. Wie kompliziert er alles sah, wie politisch verwickelt … »Versuchen Sie doch, Madame, die Situation mit meinen Augen zu sehen. Die Jakobiner werfen mir vor, dass ich die Emigranten zurückkehren lasse und gesellschaftlich bevorzuge. Gleichzeitig verbreiten sie das Gerücht, dass ich die Republik den Bourbonen ausliefern werde. Unser Frankreich – dieses Frankreich, das ich geschaffen habe, das Frankreich des Code Napoleon! Klingt das nicht wahnsinnig?« Bei den letzten Worten war er an den Schreibtisch getreten und hatte den Bogen mit dem roten Siegel in die Hand genommen. Nun starrte er auf die wenigen Worte, die darauf standen. Dann warf er das Schriftstück auf den Schreibtisch zurück und wandte sich wieder zu mir: »Wenn jedoch dieser Enghien hingerichtet wird, beweise ich Frankreich und der ganzen Welt, dass ich die Bourbonen als hochverräterisches Pack betrachte. Verstehen Sie mich, Madame? Dann werde ich jedoch –« Mit ein paar Schritten stand er vor mir und wippte triumphierend hin und her, Fußspitzen – Fersen, Fußspitzen – Fersen: »– Abrechnung mit den anderen halten. Mit den Aufrührern, den ewig Unzufriedenen, diesen Pamphlete-Schreibern, den Wirrköpfen, die mich Tyrann schimpfen. Ausmerzen werde ich sie aus der Gemeinschaft des französischen Volkes. Und Frankreich vor seinen inneren Feinden schützen.« Innere Feinde … Wo habe ich das schon gehört? Barras hat vor langer Zeit von ihnengesprochen und Napoleon dabei angesehen. Die vergoldete Uhr auf dem Kamin – ein Zifferblatt, das auf zwei ganz abscheulichen Löwen ruhte, zeigte ein Uhr. Ich stand auf. »Es ist sehr spät geworden«, sagte ich. Aber sofort drückte er mich an den Schultern in den Armstuhl zurück. »Gehen Sie noch nicht, Eugénie – ich freue mich doch so, dass Sie mich besuchen. Und es ist eine lange Nacht –«
»Sie werden selbst müde sein«, warf ich ein. »Ich schlafe schlecht. Und sehr wenig.
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