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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Staub erstickt. Auf der anderen
Straßenseite baumelte ein Schild mit der Aufschrift DESPERATION COFFEE SHOP AND VIDEO STOP im Wind hin
und her. Darunter saßen zwei weitere Kojoten und sahen aufmerksam zu ihm herüber. Zwischen ihnen hockte ein großer,
kahlköpfig wirkender Vogel, den David als Geier identifizierte, mit vom Wind zerzausten Federn, die wie die Federn
am Kirchen- und Bingohut einer alten Frau aussahen. Er saß
direkt zwischen den Kojoten.
»Das ist unmöglich«, flüsterte er, was vielleicht auch
stimmte, aber es war trotzdem der Anblick, der sich ihm bot.
Er zog sich rasch an und sah dabei zu der Tür links. Die
Worte STADTVERWALTUNG DESPERATION standen auf
der Milchglasscheibe, zusammen mit den Öffnungszeiten
-
neun bis sechzehn Uhr. Er band die Schnürsenkel seiner Turnschuhe zu und machte die Tür auf, war aber zur Flucht bereit,
sollte er etwas Gefährliches spüren … sollte er spüren, daß
sich etwas auch nur bewegte.
Aber wohin sollte ich laufen? Wohin könnte ich laufen?
    Das Zimmer hinter der Tür war düster und still. Er tastete
nach links und rechnete damit, daß etwas aus der Dunkelheit
kommen und seine Hand packen würde, aber nichts passierte. Er fand die Fassung des Lichtschalters, dann den Schalter selbst. Er drückte drauf und blinzelte, bis sich seine Augen
an das Licht der altmodischen Hängelampen gewöhnt hatten,
dann trat er ein. Direkt vor ihm befand sich ein langer Tresen
mit mehreren geschlossenen Fenstern, die wie Schalterkabinen einer altmodischen Bank aussahen. Auf einem stand
STEUERVERWALTUNG, auf einem JAGDSCHEINE, auf
einem MINEN UND METALLANALYSE. Auf dem letzten,
einem kleineren Fenster, stand MSHA und GRUNDBUCHAMT. An die Wand hinter den Schaltern war mit roter Farbe
folgendes gesprüht worden: IN DIESER STILLE KÖNNTE
ETWAS ERWACHEN
Ich schätze, es ist auch etwas erwacht, dachte David und drehte
den Kopf, um die andere Seite des Raums zu betrachten. Etwas nicht besonders
Er führte den Gedanken nicht zu Ende. Seine Augen wurden groß, er schlug die Hände vor den Mund, um einen Schrei
zu unterdrücken. Einen Augenblick schwankte die Welt,
wurde grau, und er dachte, daß er ohnmächtig würde. Um
das zu verhindern, nahm er die Hände vom Mund und
drückte sie statt dessen auf die Schläfen, damit die Schmerzen
dort wieder aufloderten. Dann ließ er sie herabsinken und betrachtete mit aufgerissenen Augen und bebenden Lippen das,
was rechts von der Tür an der Wand hing. Da waren Kleiderhaken. Ein Stetson mit einem Hutband aus Schlangenleder
hing an dem Haken direkt neben den Fenstern. An den nächsten beiden hingen zwei Frauen; eine war erschossen worden,
die andere aufgeschlitzt. Die zweite Frau hatte langes rotes
Haar und einen weit offenen Mund, der zu einem stummen
Schrei erstarrt war. Links von ihr hing ein Mann in Khaki mit
gesenktem Kopf und leerem Waffengurt. Möglicherweise
Pearson, der andere Deputy. Neben ihm hing ein Mann in
Jeans und einem blutbespritzten Arbeitshemd. Als letzte in
der Reihe kam Törtchen. Sie war am Rücken ihres MotoKopsShirts aufgehängt worden. Cassie Styles war darauf abgebildet, wie sie vor ihrem Dream-Floater-Bus stand, die Arme vor:
der Brust verschränkt und ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Cassie war schon immer Törtchens Lieblings-MotoKop
gewesen. Törtchens Kopf baumelte an dem gebrochenen
Hals, ihre Turnschuhe hingen schlaff herab.
Ihre Hände. Er konnte seinen Blick nicht von ihren Händen
abwenden. Klein und rosa, die Finger leicht gespreizt.
Ich kann sie nicht anfassen,ich kann nicht mal nah an sie rangehen! Aber er konnte es. Er mußte es, wenn er sie nicht zusammen
mit den anderen Opfern Entragians hierlassen wollte. Und
überhaupt, wozu sonst war ein großer Bruder gut, besonders
einer, der nicht groß genug war, den Riesenschreck daran zu
hindern, so was Entsetzliches überhaupt erst zu tun?
Seine Brust hob und senkte sich, grüner Seifenschaum
trocknete auf seinem Körper zu grünen Schuppen, als er die
Hände zusammenlegte und sie vor das Gesicht hob. Er schloß
die Augen. Seine Stimme bebte so sehr, daß er sie zuerst kaum
als seine eigene erkannte. »Gott, ich weiß, meine Schwester ist
bei dir und das hier ist nur, was sie zurückgelassen hat. Bitte
hilf mir, zu tun, was ich für sie tun muß.« Er schlug die Augen
wieder auf und sah sie an. »Ich hab dich lieb, Törtchen. Tut
mir leid, wenn ich dich manchmal angeschrien oder zu fest an
den Zöpfen gezogen habe.«
Das war zuviel. Er kniete sich auf

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