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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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überlegte sich gerade, daß Billingsley sie in die Irre geführt hätte,
als er stehenblieb.
»Da sind wir.«
Er bückte sich, und Mary sah, wie er etwas aufhob - es sah
wie eine Holzkiste aus. Er stellte die Kiste auf eine andere und
kletterte mit verzerrtem Gesicht auf die behelfsmäßige Plattform. Nun stand er vor einer schmutzigen Milchglasscheibe.
Darauf legte er seine Hand, die Finger wie ein Seestern gespreizt, und drückte. Das Fenster glitt in die Höhe.
»Das ist die Damentoilette«, sagte er. »Paßt auf. Es geht ein
Stück runter.« !
Er drehte sich um und schlüpfte hinein, wobei er aussah
wie ein großer, runzliger Junge, der das Clubhaus der Overthe-Hill-Bande betritt. David folgte ihm, dann Davids Vater.
Johnny Marinville kam als nächster; er wäre um ein Haar von
der Kistenplattform gestürzt, als er sich umdrehte. Im Dunkeln war er tatsächlich fast blind, dachte sie und ermahnte sich,
nie in einem Auto mitzufahren, das dieser Mann fuhr. Und auf
einem Motorrad? Hatte er das Land wirklich auf einem Motorrad durchquert? Wenn ja, mußte Gott ihn viel mehr lieben,
als sie es je tun würde.
Sie packte ihn hinten am Gürtel und stützte ihn. »Danke«,
sagte er, und diesmal hörte es sich tatsächlich demütig an.
Dann zwängte er sich schnaufend und grunzend durch das
Fenster, während ihm das lange Haar ins Gesicht hing.
Mary sah sich rasch um und hörte einen Augenblick
Phantomstimmen im heulenden Wind.
Hast du es nicht gesehen?
Was gesehen ?
An dem Schild. Der Geschwindigkeitsbegrenzung.
Was ist damit?
Da hat eine tote Katze gehangen.
Als sie jetzt auf der Kiste stand, dachte sie: Die Leute, die das
gesagt haben, sind wirklich Phantome, weil sie tot sind. Ich so sehr
wie er - die Mary Jackson, die zu dieser Reise aufgebrochen ist,
existiert eindeutig nicht mehr. Die Person hier, hinter diesem alten
Kino, ist jemand anders.
Sie reichte ihre Taschenlampe und das Gewehr durch das
Fenster, hinter dem beides von wartenden Händen in Empfang genommen wurde, dann drehte sie sich um und
schlüpfte mühelos in die Damentoilette hinein.
Ralph packte sie um die Hüften und half ihr hinunter. David leuchtete mit der Taschenlampe herum und hielt eine
Hand als eine Art Abschirmung über das Glas. Sie rümpfte
die Nase wegen des Geruchs - Feuchtigkeit, Schimmel, Alkohol. In einer Ecke stand ein Karton mit leeren Schnapsflaschen. In einer Toilettenkabine standen zwei große Plastikbehälter voller Bierdosen. Sie waren über ein Loch gestellt,
wo sich, vermutete Mary, in grauer Vorzeit einmal eine richtige Toilette befunden hatte. Etwa zu der Zeit, als James Dean gestorben ist, so wie es hier aussieht, dachte Mary. Sie stellte fest,
daß sie selbst Verwendung für eine Toilette und außerdem
Hunger hatte, so übel es auch in dem Raum riechen mochte.
Warum auch nicht? Sie hatte seit fast acht Stunden nichts
mehr gegessen. Sie hatte Schuldgefühle wegen ihres Hungers, wo Peter doch nie wieder etwas essen würde, ging aber
davon aus, daß sie vergehen würden. Das war ja das Schlimme, wenn man darüber nachdachte. Genau das war ja das
Schlimme.
»Heilige Scheiße«, sagte Marinville, holte seine Lampe aus
der Tasche und leuchtete in die Kabinen. »Sie und Ihre
Freunde scheinen hier ja harte Partys zu feiern, Tom.«
»Wir machen einmal im Monat sauber«, sagte Billingsley,
als müsse er sich verteidigen. »Im Gegensatz zu den Bengels,
die oben die Sau rausgelassen haben, bis letzten Winter die
alte Feuerleiter eingestürzt ist. Wir pinkeln nicht in die Ecken,
und wir nehmen auch keine Drogen.«
Marinville betrachtete den Karton mit den leeren Flaschen.
»Auf die Menge J. W. Dant noch ein paar Drogen gepackt, und
sie wären vermutlich explodiert.«
»Wo pinkeln Sie denn, wenn ich fragen darf?« sagte Mary.
»Ich könnte nämlich eine kleine Erleichterung in dieser Hinsicht gebrauchen.«
»Auf der anderen Seite des Flurs, in der Herrentoilette, steht
ein Eimer. Wie sie in Krankenhäusern verwendet werden. Den
halten wir auch sauber.« Er warf Marinville einen Blick zu, der
zu gleichen Teilen aus Trotz und aus Schüchternheit bestand.
Mary vermutete, daß Marinville bald auf Billingsley losgehen
würde. Sie hatte eine Ahnung, als ob Billingsley das auch
spürte. Und warum? Weil Typen wie Marinville eine Hackordnung etablieren mußten, und der Tierarzt war von allen Anwesenden eindeutig derjenige, auf dem man am leichtesten
herumhacken konnte.
»Entschuldigung«, sagte sie. »Dürfte ich mir Ihre Taschenlampe

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