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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sogenannten China-Mine, Stellung nehmen würden, bildeten die
Spinnen einen Kreis.
Die große Frau in Overall und Sam-Browne-Gürtel stand
auf und näherte sich ihnen. Der Kreis der Spinnen an der
Wand erbebte, als wollten sie Furcht oder Ekstase ausdrücken, möglicherweise beides. Die Frau preßte die blutigen
Hände aufeinander, breitete sie aus und präsentierte die
Handflächen dann der Wand. »Ah la?«
Der Kreis löste sich auf. Die Spinnen bildeten eine neue Formation, wobei sie sich mit der Präzision eines eingespielten
Teams bewegten, das eine Show präsentiert. Ein T bildeten
sie, stoben auseinander, sammelten sich und bildeten ein H.
Ein E folgte, ein A, noch ein T, noch ein E
Sie winkte ab, während die Spinnen noch herumkrabbelten
und versuchten, sich zu einem R anzuordnen.
»En tow«, sagte sie. »Ras.«
Die Spinnen gaben das R auf und bildeten wieder den zaghaft zitternden Kreis.
»Ten ah?« fragte sie nach einem Augenblick, und die Spinnen bildeten eine neue Formation. Es war ein Kreis, das Symbol des ini. Die Frau mit Ellen Carvers Fingerabdrücken betrachtete es eine Zeitlang, trommelte dabei mit Ellens Fingern
auf Ellens Schlüsselbein, und winkte dann mit Ellens Hand
zur Wand. Die Spinnenformation löste sich auf. Die Tiere
krabbelten wieder auf den Boden hinunter.
Die Kreatur ging in die Diele zurück, ohne auf die Spinnen
zu achten, die um ihre Füße herumwuselten. Die Spinnen
würden zur Verfügung stehen, wenn sie sie brauchte, nur darauf kam es an.
Sie blieb vor der Doppeltür stehen und sah wieder in die
Nacht hinaus. Sie konnte das alte Kino nicht sehen, aber das
machte nichts; sie wußte, wo das American West lag, etwa
eine Viertelmeile nördlich von hier, kurz nach der einzigen
Kreuzung der Stadt. Und dank der Fiedelspinnen wußte Ellen
auch, wo sie sich aufhielten.
Wo er sich aufhielt. Der beschissene kleine Betbruder.
3
    Johnny Marinville erzählte seine Geschichte wieder - diesmal
vollständig. Zum erstenmal seit vielen Jahren versuchte er,
sich kurz zu fassen
- Kritiker im ganzen Land hätten ihm
dafür Beifall gezollt, teilweise von ungläubigem Staunen erfüllt. Er erzählte ihnen, wie er eine Pinkelpause eingelegt und
Entragian derweil den Stoff in seiner Satteltasche untergebracht hatte. Er erzählte ihnen von den Kojoten - von dem,
mit dem Entragian geredet zu haben schien, und von den anderen, die in regelmäßigen Abständen am Straßenrand saßen
wie eine unheimliche Ehrenwache
-, und davon, wie der
große Cop ihn zusammengeschlagen hatte. Er schilderte noch
einmal den Mord an Billy Rancourt, und danach, ohne merkliche Änderung seiner Stimmlage, von dem Geier, der ihn offenbar auf Geheiß von Collie Entragian angegriffen hatte.
Als sie das hörte, drückte Audrey Wylers Gesicht unverhohlenes Mißtrauen aus, aber Johnny sah, daß Steve und das
magere Mädchen, das er unterwegs irgendwo auf gelesen hatte,
einen Blick resignierter Zustimmung wechselten. Johnny sah
sich nicht um, wie es die anderen aufnahmen, sondern betrachtete statt dessen seine Hände, seine Knie, und konzentrierte sich, als würde er eine besonders schwierige Stelle
schreiben.
»Er wollte, daß ich seinen Schwanz lutsche. Ich nehme an,
daraufhin sollte ich winseln und um Gnade flehen, aber ich
fand die Vorstellung nicht so schockierend oder überraschend, wie Entragian wahrscheinlich erwartet hat. Schwanz lutschen ist eine ziemlich übliche sexuelle Forderung, wenn
die Autorität ihre normalen Grenzen und Restriktionen überwunden hat, aber es ist nicht, was es zu sein scheint. Oberflächlich gesehen geht es bei Vergewaltigung um Dominanz
und Aggression. Aber darunter geht es um aus Angst geborene Wut.«
»Danke, Dr. Ruth«, sagte Audrey. »Und jetzt sprechen wir
über die Impotenz.«
Johnny sah sie ohne Verstimmung an. »Ich habe einen Roman
über das Thema homosexuelle Vergewaltigung geschrieben. Tiburon, hieß er. Die Kritik hat ihn nicht besonders gemocht,
aber ich habe mit einer Menge Leute gesprochen und glaube,
daß ich das Prinzip ziemlich gut verstanden habe. Die Sache ist
die, er hat mich wütend gemacht, statt mich zu schockieren.
Mittlerweile hatte ich entschieden, daß ich sowieso nicht viel
zu verlieren hatte. Ich hab zu ihm gesagt, ich würde seinen
Schwanz in den Mund nehmen, kein Problem, aber sobald er
drin sei, würde ich ihn abbeißen. Dann … dann …«
Er dachte so angestrengt wie in den letzten zehn Jahren
nicht mehr nach und nickte bei sich.
»Dann habe ich ihm eins seiner

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