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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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zurück«, sagte sie mit einer paradoxen Stimme: sonor
und gleichzeitig vollkommen tonlos. »So war es immer; so
wird es immer sein; das Leben ist beschissen, dann stirbt man.«
Sie trug das Tier nach unten; seine Pfoten und der zertrümmerte Kopf baumelten herunter, der Körper hing zwischen
ihren Armen wie eine blutige Pelzstola. Sie blieb einen Moment vor der Tür des Rathauses stehen, sah in die stürmische
Dunkelheit hinaus und lauschte dem Wind.
»So cah set!« rief sie aus, dann drehte sie sich um und trug
das Tier ins Büro der Stadtverwaltung. Sie ließ den Blick über
die Kleiderhaken rechter Hand schweifen und sah sofort, daß
das kleine Mädchen - für ihren Bruder Törtchen - abgenommen und in eine Gardine gewickelt worden war.
Ihr blasses Gesicht wurde wutverzerrt, als sie den zugedeckten Umriß des Kindes sah.
»Er hat sie abgenommen!« sagte sie zu dem toten Kojoten
auf ihrem Arm. »Der niederträchtige Junge hat sie abgenommen! Der blöde Unruhestifter!«
Ja. Verdorbener Junge. Böser Junge. Dummer Junge. In gewisser Weise war der letzte Ausdruck der beste, oder nicht?
Der zutreffendste. Der dumme kleine Betbruder, der versuchte, wenigstens einen Teil davon ins Lot zu bringen, als
könnte je ein Teil von so etwas richtig sein, als wäre der Tod
ein Schandfleck, den man mit einem kräftigen Arm von der
Mauer des Lebens wischen konnte. Als könnte man das zugeschlagene Buch wieder aufklappen und noch einmal lesen,
mit einem anderen Schluß.
Und doch war ihre Wut von Angst durchwirkt, wie ein gelber Faden in einem roten Tuch, denn der Junge gab nicht auf,
und darum gaben auch die anderen nicht auf. Sie hätten nicht
wagen dürfen, vor
(Entragian ihr ihm ihnen)
wegzulaufen, selbst wenn ihre Zellentüren sperrangelweit
offen gestanden hätten. Und doch waren sie geflohen. Wegen
des Jungen, dieses vermaledeiten, anmaßenden, hoffärtigen
kleinen Betbruders, der die Dreistigkeit besessen hatte, seine
kleine Fotze von Schwester abzuhängen und zu versuchen,
ihr eine Art von angemessenem Begräbnis zuteil werden zu
lassen
Sie spürte eine Art dumpfer Wärme an Fingern und Handflächen. Die Kreatur sah nach unten und stellte fest, daß sie in
ihrer Aufregung Ellens Hände bis zu den Gelenken in den
Bauch des Kojoten gebohrt hatte.
Sie hatte vorgehabt, ihn an einen der Haken zu hängen, weil
sie das auch mit den anderen getan hatte, aber nun kam ihr ein
anderer Einfall. Sie trug den Kojoten zu dem grünen Bündel
auf dem Boden, kniete nieder und zog den Vorhang auseinander. Mit einem lautlos fauchenden Mund sah sie auf das tote
Mädchen hinab, das in diesem derzeitigen Körper herangewachsen war.
Daß er es gewagt hatte, sie zu bedecken!
Sie zog Ellens in lauwarme Handschuhe aus Blut
gekleideten Hände aus dem Kojoten heraus und legte das Tier auf Kirsten, Sie spreizte die Pfoten des Kojoten und legte sie dem
Kind um den Hals. Dieses tableau de la mort hatte etwas Schauderhaftes und Fantastisches an sich; es war wie ein Holzschnitt aus einem schwarzen Märchen.
»Tak«, flüsterte die Kreatur grinsend. Ellen Carvers Unterlippe platzte auf. Unbemerkt floß ihr ein Rinnsal Blut das
Kinn hinab. Der verdorbene, anmaßende kleine Junge würde
diese Revision seiner Revision wahrscheinlich nie zu Gesicht
bekommen, aber es tat so gut, sich seine Reaktion vorzustellen, falls es doch dazu käme! Wenn er sehen würde, wie wenig
seine Anstrengung gebracht hatte, wie mühelos man gezollten Respekt zurücknehmen konnte, wie natürlich sich das
Nichts in allen Belangen der Menschen einnistete.
Sie zog den Vorhang bis zum Hals des Kojoten hoch. Nun
sahen das Kind und die Bestie fast wie Liebende aus. Wie sehr
sie sich wünschte, der Junge wäre hier! Auch der Vater, aber
besonders der Junge. Denn der Junge war es, der so dringend
Unterweisung verdiente.
Der Junge war der Gefährliche.
Ein Wuseln ertönte hinter ihr, ein so leises Geräusch, daß es
nicht zu hören war … aber sie hörte es trotzdem. Sie drehte
sich auf den Knien um und sah, daß die Einsiedlerspinnen
zurückkehrten. Sie kamen zur Tür der Stadtverwaltung herein, wandten sich nach links und krabbelten an der Wand hinauf, über Plakate hinweg, die bevorstehende städtische Veranstaltungen ankündigten und um freiwillige Helfer für die
diesjährige Pionierfeier warben. Auf dem Poster für eine
zwanglose Versammlung, bei der Angestellte der Bergbaugesellschaft von Desperation zur Wiederaufnahme des Kupferbergbaus im Schacht Rattlesnake Nummer zwei, der

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