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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Finger auf den Wangen. Als er an ihrer Schulter
vorbeischaute, sah er das Pferd an der Wand, sein Pferd, das
wild und frei dahineilte. Dann schnellte das Pumaweibchen
wieder nach vorne, schüttelte seine Hand wie einen Lappen
in ihren Kiefern, und er spürte nur noch Schmerzen. Sie füllten die ganze Welt aus.
5
    Cynthia Smith schenkte sich gerade ein frisches Glas Mineralwasser ein, als der Puma seinen ersten Schrei ausstieß. Ihre
sämtlichen Muskeln und Nerven verkrampften sich, als sie
das Geräusch hörte. Die Plastikflasche glitt ihr aus den kraftlosen Fingern, landete zwischen ihren Füßen auf dem Boden
und explodierte wie ein mit Wasser gefüllter Luftballon. Sie
erkannte das Geräusch sofort - der Schrei einer Raubkatze -,
obwohl sie es außerhalb eines Kinos noch nie gehört hatte.
Was natürlich - seltsam, aber wahr - immer noch der Fall war.
Dann schrie ein Mann. Tom Billingsley schrie.
Sie fuhr herum, sah Steve, der Marinville ansah, und dann
wandte sich Marinville mit bleiernen Wangen und fest zusammengekniffenen, aber trotzdem bebenden Lippen ab. In
diesem Augenblick sah der Schriftsteller schwach und hilflos
und mit seinem langen grauen Haar seltsam feminin aus, wie
eine alte Frau, die nicht nur vergessen hat, wo sie ist, sondern
auch, wer sie ist.
Dennoch empfand Cynthia in diesem Augenblick vor allem
Verachtung für Johnny Marinville.
Steve sah zu Ralph, der nickte, seine Waffe schnappte und
zum linken Bühnenausgang lief. Steve holte ihn ein, dann
rannten sie, fast Kopf an Kopf, gemeinsam in diese Richtung.
Der alte Mann schrie wieder, doch diesmal klang der Schrei
tanzten sie einen trunkenen Tango, während die Katze ihre
Krallen immer tiefer in Steves Schultern grub, und jetzt konnte Cynthia erkennen, wie blutige Blüten sich an den Stellen,
wo die Katze die Krallen hineingeschlagen hatten, auf dem
Hemd ausbreiteten. Der Puma schlug wie besessen mit dem
Schwanz.
Sie vollführten eine weitere halbe Drehung, dann stieß
Steve mit der transportablen Toilette mitten im Zimmer
zusammen. Sie kippte polternd um, und Steve taumelte, um
das Gleichgewicht zu halten, während er gleichzeitig mit
beiden Armen verzweifelt den Puma abwehrte. Billingsley
hatte hinter ihnen die Ecke der Herrentoilette erreicht, versuchte aber trotzdem weiterzukriechen, als hätte der Angriff
der Raubkatze ihn in eine Art von Aufziehspielzeug verwandelt, das nicht die Richtung ändern konnte und dazu verdammt war, immer weiter zu strampeln, bis seine Feder
erlahmt war.
»Erschieß das Scheißvieh!« schrie Steve. Es gelang ihm, einen
Fuß zwischen die Unterkante des Toilettenkastens und den
Auffangsack zu bekommen, ohne zu stürzen, aber jetzt
konnte er nicht weiter zurückweichen; noch einen oder zwei
Augenblicke, und der Puma würde ihn umwerfen. »Schieß,
Ralph, SCHIESS ENDLICH!«
Ralph hob wieder das Gewehr, kaute, die Augen weit aufgerissen, auf seiner Unterlippe, und dann wurde Cynthia beiseite gestoßen. Sie flog durch den Raum, konnte sich gerade
noch am mittleren von drei Waschbecken festhalten, bevor sie
mit dem Kopf voran gegen den Wandspiegel aus Edelstahl
prallte, drehte sich um und sah Marinville, der den Kolben
von Marys Flinte auf der Innenseite des rechten Unterarms
liegen hatte, in den Raum stürmen. Sein strähniges graues
Haar wirbelte hin und her und strich ihm über die Schultern.
Cynthia dachte, daß sie in ihrem Leben noch niemanden gesehen hatte, der so erschrocken aussah, aber jetzt, wo er sich in
Bewegung gesetzt hatte, zögerte Marinville nicht; er drückte
den Doppellauf der Flinte an den Kopf des Tiers.
»Stoß ihn weg!« bellte er, und Steve stieß. Der Kopf der Katze
schnellte hoch und weg von ihm. Ihre grünen Augen schienen
fast von innen zu leuchten, als wäre sie gar kein Lebewesen,
sondern eine Kürbislaterne. Der Schriftsteller verzog das Gesicht, wandte den Kopf ein wenig zur Seite und drückte beide
Abzüge. Eine ohrenbetäubende Explosion ertönte, neben der
sich der Schußknall von Carvers Gewehr wie ein Babyfurz
ausnahm. Grelles Licht strömte aus der Mündung, und dann
konnte Cynthia brennende Haare riechen. Der Puma kippte
zur Seite; sein Kopf fehlte fast völlig, das Fell im Nacken
schwelte.
Steve torkelte und ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Der benommene Marinville unternahm nur einen halbherzigen Versuch, ihn zu stützen, und
Steve - ihr netter neuer Freund - fiel zu Boden.
»Herrgott, ich glaube, ich hab mir in die Hose geschissen«,
sagte

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