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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Marinville fast im Plauderton, und dann: »Nein, ich
glaube, es war nur der Wind in den Weiden. Steve, alles in
Ordnung?«
Cynthia kniete an seiner Seite. Er richtete sich auf, sah sich
benommen um und zuckte zusammen, als sie behutsam mit
dem Finger eine der blutigen Blüten auf seinem Hemd berührte.
»Ich glaube ja.« Er versuchte aufzustehen. Cynthia legte
ihm einen Arm um die Taille, stützte sich ab und zog. »Danke,
Boß.«
»Ich kann es nicht glauben«, sagte Marinville. Für Cynthia
hörte er sich zum erstenmal, seit sie ihn kennengelernt hatte,
vollkommen natürlich an; ein Mann, der ein Leben lebte, statt
eine Rolle zu spielen. »Ich kann nicht glauben, daß ich das getan habe. Diese Frau hat mich dazu provoziert. Steven, Sie sind doch in Ordnung?«
»Er hat Kratzwunden«, sagte Cynthia, »aber das ist jetzt
nicht so wichtig. Wir müssen dem alten Mann helfen.«
Mary kam mit Marinvilles Gewehr herein
- dem ungeladenen -, das sie über der Schulter hielt. Die Hände hatte sie
um das Ende des Laufs geklammert. Cynthia fand, daß ihr
Gesicht geradezu unheimlich gefaßt aussah. Sie betrachtete
das Schauspiel
- das mittlerweile noch traumähnlicher
wirkte, da der Rauch inzwischen praktisch alles einhüllte -,
dann lief sie durch den Raum zu Billingsley, der zwei müde
Versuche unternommen hatte, in die Wand hineinzukriechen,
und dann von den Knien angefangen zusammengebrochen
war, zuletzt das Gesicht, das sich zuerst neigte und dann an
den Kacheln entlangrutschte.
Ralph streckte die Hand nach Steves Schulter aus, sah das
Blut und ergriff statt dessen seinen Arm oberhalb des Bizeps.
»Ich konnte nicht«, sagte er. »Ich wollte, aber ich konnte nicht.
Nach den ersten beiden Schüssen hatte ich Angst, ich würde
Sie treffen, statt das Tier. Als Sie sich schließlich umgedreht
hatten, so daß ich von der Seite schießen konnte, war Marinville da.«
»Schon gut«, sagte Steve.
»Das war ich ihm schuldig«, sagte der Schriftsteller mit der
Großspurigkeit eines siegreichen Quarterbacks, die Cynthia
ziemlich abstoßend fand. »Wenn ich nicht gewesen wäre,
dann säße er überhaupt nicht hier in der -«
»Kommt her!« sagte Mary mit brechender Stimme. »Herrgott noch mal, o Mann, er blutet so sehr!«
Die vier scharten sich um Mary und Billingsley. Sie hatte ihn
auf den Rücken gedreht, und Cynthia erschrak über das, was
sie da sah. Eine Hand des alten Burschen fehlte fast völlig-bis
auf den kleinen waren alle Finger zu Stummeln abgekaut
-
aber das war nicht das Schlimmste. Halsansatz und Schultern
auf der rechten Seite wiesen eine klaffende Wunde auf. Blut
strömte in wahren Sturzbächen daraus hervor. Und doch war
er wach, seine Augen hell und klar.
»Rock«, flüsterte er heiser. »Rock.«
»Nicht sprechen, Väterchen«, sagte Marinville. Er bückte
sich, hob die Taschenlampe auf und richtete sie auf Billingsley.
Was in der Düsternis schlimm ausgesehen hatte, wirkte nun
noch schlimmer. Eine Blutlache hatte sich um den Kopf des alten Mannes herum gebildet; Cynthia konnte nicht begreifen,
wieso er überhaupt noch lebte.
»Ich brauche einen Druckverband«, sagte Mary. »Stehen Sie
nicht so herum, helfen Sie mir, er wird sterben, wenn wir die
Blutung nicht sofort stillen.«
Zu spät, Baby, dachte Cynthia, sagte es aber nicht.
Steve zog das Hemd aus und entblößte drei saubere Löcher
in einer und vier in der anderen Schulter. Sie sahen wie blutige
Punkte aus. Er legte das Hemd zweimal zusammen, dann gab
er es Mary. Sie nickte, faltete es noch einmal und drückte es
seitlich gegen Billingsleys Hals.
»Komm mit«, sagte Cynthia und nahm Steves Arm.
»Zurück auf die Bühne. Ich kann deine Verletzungen wenigstens mit Wasser von der Bar auswaschen. Es steht jede
Menge auf dem unteren Re-«
»Nein«, flüsterte der alte Mann. »Bleibt! Müßt… es hören.«
»Sie können nicht sprechen«, sagte Mary. Sie drückte den
behelfsmäßigen Druckverband fester gegen seinen Hals. Das
Hemd färbte sich bereits dunkel. »Wenn Sie reden, wird die
Blutung nie aufhören.«
Er verdrehte die Augen in Marys Richtung. »Zu spät zum
Rumdoktern.« Seine Stimme klang heiser. »Sterbe.«
»Nein, stimmt nicht; das ist lächerlich.«
»Sterbe«, wiederholte er und zuckte heftig unter ihren Händen. Sein zerfleischter Rücken erzeugte Schmatzlaute auf den
Fliesen, ein Geräusch, bei dem Cynthia übel wurde. »Kommt
her zu mir… ihr alle … und hört genau zu.«
Steve sah Cynthia an. Sie zuckte die Achseln und nickte. Die
beiden knieten

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