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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mich
rauf zu der Mine zu bringen, vermute ich -, als es passiert ist.
Das Auto kam von der Straße ab und überschlug sich. Eine
der hinteren Türen ist aufgegangen. Ein Glück für mich, sonst
wäre ich immer noch drinnen, wie ein Insekt in einer Dose gefangen. Ich … ich bin zu Fuß zur Stadt zurückgegangen.«
»Was ist mit Ihrem Arm passiert?«
»Er ist gebrochen«, sagte Ellen und beugte sich noch weiter
darüber. Die Haltung hatte etwas Abstoßendes; Ellen Carver
sah wie ein Troll im Märchen aus, der sich habgierig über
einen Beutel voll gestohlenem Gold beugt. »Können Sie mir
reinhelfen? Ich will meinen Mann sehen, und ich will David
sehen.«
Ein Teil von Mary schrie angesichts dieses Vorschlags erschrocken auf und sagte ihr, daß irgend etwas hier nicht
stimmte, aber als Ellen ihren unversehrten Arm hob und Mary
den Schmutz und das Blut und das erschöpfte Zittern sah,
setzte sich ihr grundsätzlich gütiges Herz über die argwöhnische Eidechse Instinkt hinweg, die weit hinten in ihrem
Gehirn hauste. Diese Frau hatte durch einen Wahnsinnigen
ihre kleine Tochter verloren, hatte auf dem Weg zu ihrem vermeintlich sicheren Ende einen Autounfall überstanden, einen
Arm gebrochen und war durch einen heulenden Sandsturm
zu einer überwiegend von Leichen bevölkerten Stadt zurückgelaufen. Und der erste Mensch, dem sie begegnet, bekommt
plötzlich einen heftigen Anfall von Muffensausen und
weigert sich, sie reinzulassen?
Hn-hnn, dachte Mary. Auf keinen Fall. Und, absurderweise
vielleicht: So bin ich nicht erzogen worden.
»Sie können nicht zu diesem Fenster reinkommen. Hier
sind viele Glasscherben. Etwas … ein Tier ist durchgesprungen. Gehen Sie ein Stück weiter an der Rückseite des Kinos
entlang. Dann kommen Sie zur Damentoilette. Da ist es besser. Da sind sogar ein paar Kisten zum Draufstellen. Ich helfe
Ihnen rein. Okay?«
»Ja. Danke, Mary. Gott sei Dank, daß ich Sie gefunden habe.« Ellen schenkte ihr ein gräßlich verzerrtes Lächeln - Dankbarkeit, speichelleckerische Unterwürfigkeit und möglicherweise Todesangst, alles zusammen
- und schlurfte mit
gesenktem Kopf und hängenden Schultern weiter. Vor zwölf
Stunden war sie Mrs. Mutterfrau aus der Vorstadt und auf
dem Weg zu einem hübschen Mittelschichtsurlaub in Lake
Tahoe gewesen, wo sie wahrscheinlich vorgehabt hatte, ihre
neue Freizeitkleidung von Talbot’s über ihrer neuen Unterwäsche von Victoria’s Secret zu tragen. Tagsüber Sonnenbaden
mit den Kindern, nachts Sex mit dem wohltuenden, vertrauten Partner; Ansichtskarten an die Freunde zu Hause - alles
traumhaft, die Luft ist so klar, wenn Ihr nur auch hier sein
könntet. Jetzt sah sie aus wie ein Flüchtling und benahm sich
auch so, eine alterslose Kriegsvettel, die vor einem häßlichen
Blutbad in der Wüste floh.
Und Mary Jackson, die hübsche kleine Prinzessin
- wählt
die Demokraten, geht alle zwei Monate zum Blutspenden,
schreibt Gedichte
-, hatte tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, sie stöhnend da draußen in der Dunkelheit schmoren
zu lassen, bis sie sich mit den Männern beraten hatte. Und was
bedeutete das? Daß sie in demselben Krieg gewesen war, vermutete Mary. So dachte man, so verhielt man sich, wenn es
einem selbst passierte. Nun, sie würde nicht so handeln. Sonst
sollte sie der Teufel holen.
Mary ging über den Flur und horchte nach weiteren Rufen
aus dem Kino. Keine zu hören. Als sie gerade die Tür der
Damentoilette öffnen wollte, ertönten drei Schüsse. Wände
und die Entfernung dämpften sie, aber es konnte kein Zweifel
bestehen, worum es sich handelte. Gedämpfte Schreie folgten
- Worte und Rufe durcheinander. Mary erstarrte und wurde
mit gleicher Kraft in zwei verschiedene Richtungen gezogen.
Den Ausschlag gab das leise Weinen vor dem Fenster der Damentoilette.
»Ellen? Was ist? Was haben Sie?«
»Ich bin dumm, das ist alles, dumm! Ich habe mir den verletzten Arm gestoßen, als ich noch eine Kiste oben draufgestellt habe, um hochzuklettern!« Die Frau vor dem Fenster sie war nur ein Schatten auf dem Milchglas - schluchzte noch
heftiger.
»Halten Sie durch, Sie sind in Null Komma nichts hier drinnen«, sagte Mary und eilte durch den Raum. Sie räumte die
Bierflaschen ab, die Billingsley auf das Fenstersims gestellt
hatte, und drückte das Fenster hoch, während sie sich überlegte, wie sie Ellen am besten hereinhelfen konnte, ohne ihr
noch mehr wehzutun, als ihr einfiel, was Billingsley über den
Cop gesagt hatte: daß er größer wäre. O mein Gott, hatte

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