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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Zeitspanne zwischen
Erfolg und Mißerfolg entscheiden. Sie fand jedoch nichts.
»Scheiße«, flüsterte sie. Sie betrachtete den Jungen und
stellte, ohne groß überrascht zu sein, fest, daß sie Angst vor
ihm hatte. Sie fürchtete sich sogar davor, in seine Nähe zu
gehen.
Tak ah wan! Die Stimme in ihrem Kopf.
»Tak ah wan!« Diesmal aus ihrem Mund. Zustimmung. Zugleich hilflos und tief empfunden.
Sie ging die beiden Stufen in den eigentlichen Vorführraum
hinunter und, während sie bei jedem knirschenden Schritt das
Gesicht verzog, zu der Stelle, wo David auf Knien an der
Wand mit den Projektionsschlitzen lehnte. Sie rechnete damit,
daß er die Augen aufreißen würde - Augen, in denen blaue
Elektrizität flimmerte. Mit der rechten Hand drückte sie wieder die can tahs zusammen, um Kraft zu sammeln, dann ließ
sie sie widerstrebend los.
Sie ging vor David auf die Knie und verschränkte ihre kalten und zitternden Finger im Schoß. Wie häßlich er war! Und
den Geruch, der von ihm ausging, fand sie noch abstoßender. Logisch, daß sie sich von ihm ferngehalten hatte; er sah aus wie
Medusa und stank wie ein Eintopf aus verfaultem Fleisch und
saurer Milch.
»Kleiner Betbruder«, sagte sie. »Häßlicher kleiner Betbruder.« Ihre Stimme hatte sich in etwas verwandelt, das weder
männlich noch weiblich war. Schwarze Umrisse bewegten
sich schemenhaft unter der Haut ihrer Wangen und Stirn, wie
die schlagenden Membranflügel kleiner Insekten. »Das hier
hätte ich schon beim ersten Mal tun sollen, als ich dein Krötengesicht gesehen habe.«
Audreys Hände
- kräftig und braungebrannt, hier und da
mit Schorf von bei der Arbeit zugezogenen Verletzungen schlössen sich um David Carvers Hals. Seine Augenlider flatterten, als diese Hände seine Luftröhre zudrückten und sein
Atem stillstand, aber nur einmal.
Nur einmal.
4
    »Warum hast du aufgehört?« fragte Steve.
Er stand in der Mitte des unmöglichen Bühnenwohnzimmers neben der eleganten alten Bar von der Circle Ranch. Am
allermeisten wünschte er sich im Augenblick ein frisches
Hemd zum Wechseln. Er hatte den ganzen Tag in brütender
Hitze verbracht (die Klimaanlage des Ryder unzureichend zu
nennen wäre geschmeichelt gewesen), aber jetzt fror er. Das
Wasser, mit dem Cynthia seine Verletzungen abtupfte, lief in
kalten Rinnsalen seinen Rücken hinab. Wenigstens hatte er ihr
ausreden können, seine Wunden mit Billingsleys Whiskey zu
reinigen, wie eine
Saloon-Hure in einem alten Western einen
Cowboy zusammenflicken würde.
»Ich dachte, ich hätte was gesehen.« Cynthia sprach mit gedämpfter Stimme.
»Isses ‘ne Miezetazze dewesen?«
»Sehr komisch.« Sie rief mit lauter Stimme: »David? Dayyyy-vid!«
Sie waren allein auf der Bühne. Steve hatte Marinville und
Carver bei der Suche nach dem Jungen helfen wollen, aber
Cynthia hatte darauf bestanden, daß sie zuerst die, wie sie
sich ausdrückte, »Löcher in deinem Fell«, verarztete. Die beiden Männer waren zusammen in die Halle gegangen. Marinville schritt mit neuem Elan dahin und trug sein Gewehr in
einer Art und Weise, daß Steve an ein anderes Filmgenre denken mußte
- das, in denen der bärbeißige, aber heldenhafte
weiße Jäger durch tausend Gefahren des Dschungels stolpert
und schließlich einen Saphir, so groß wie ein Türknauf, aus
der Stirn eines Götzenbilds herausbrechen kann, das über
eine versunkene Stadt wacht.
»Was? Was hast du gesehen?«
»Ich weiß wirklich nicht. Es war unheimlich. Oben auf dem
Balkon. Einen Augenblick dachte ich, es wäre - du wirst mich
auslachen - ein schwebender Körper.«
Plötzlich veränderte sich etwas in ihm. Es war nicht, als
wäre ein Licht angegangen, sondern mehr, als wäre eins ausgeschaltet worden. Er vergaß die brennenden Wunden auf
seinen Schultern, aber plötzlich war sein Rücken kälter denn
je. Fast so kalt, daß er zu zittern angefangen hätte. Zum zweitenmal an diesem Tag erinnerte er sich an seine Zeit als Teenager in Lubbock, und wie die ganze Welt totenstill zu werden
schien, bevor die Feger über die Wüste wehten und ihre
manchmal tödlichen Schleier von Hagel und Wind mit sich
brachten. »Ich lache nicht«, sagte er. »Gehen wir da rauf.«
»Wahrscheinlich war es nur ein Schatten.«
»Das glaube ich nicht.«
»Steve? Alles in Ordnung?«
»Nein. Ich hab ein Gefühl wie vorhin, als wir in die Stadt gekommen sind.«
Sie sah ihn erschrocken an. »Okay. Aber wir haben keine
Waffe-«
»Scheiß drauf.« Er nahm ihren Arm. Seine Augen waren
groß, sein Mund

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