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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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und
schlug Johnny auf die Schulter. Das weckte ihn auf. Er drehte
sich um, und dann stand Ralph da. Er riß ihm den Jungen aus
den Armen, noch ehe Johnny richtig begriffen hatte, was los
war. Ralph lief mit linkischen, aber ausgreifenden Schritten
die Stufen hinauf und aus dem Raum hinaus, ohne sich auch
nur einmal umzudrehen.
Audrey sah ihn gehen. Sie heulte - jetzt hörte Johnny Verzweiflung aus diesem Heulen heraus
- und wollte wieder
nach den Steinen greifen. Steve riß sie zurück. Audreys Arm
löste sich mit einem seltsamen Reißlaut von der Schulter.
Steve hielt ihn in der Hand wie den Schenkel eines zu lange
gekochten Huhns.
2
    Audrey schien nicht mitzubekommen, was mit ihr geschah.
Einarmig und in einem Kleid, das sich auf der rechten Seite
vom Blut dunkel verfärbte, stürzte sie sich wieder auf die Figuren, während sie in dieser seltsamen Sprache vor sich
hinstammelte. Steve stand wie erstarrt da und betrachtete,
was er in der Hand hielt
- einen leicht sommersprossigen
menschlichen Arm mit einer Casio-Uhr am Handgelenk. Der
Boß war gleichermaßen erstarrt. Wäre Cynthia nicht gewesen,
dachte Steve später, hätte Audrey die Figuren wieder in die
Finger bekommen. Weiß Gott, was dann geschehen wäre;
selbst als sie die Macht der Steine eindeutig auf den Boß gerichtet hatte, hatte Steve die Ausstrahlung gespürt. Diesmal
war nichts Sexuelles im Spiel gewesen. Diesmal ging es um
Mord und nichts anderes.
Bevor Audrey in der Ecke auf die Knie fallen und ihre Spielsachen aufsammeln konnte, kickte Cynthia sie nachdrücklich
fort, so daß sie an der Wand mit den Schlitzen darin entlangrutschten. Audrey heulte wieder auf, aber diesmal kam zusammen mit dem Ton ein Blutschwall aus ihrem Mund. Sie
drehte den Kopf zu ihnen herum, und Steve wich taumelnd
einen Schritt zurück und hob sogar eine Hand, um die Augen
abzuschirmen.
Audreys einst hübsches Gesicht hing in schweißnassen Falten von ihrem Kopf herab. Ihre Glubschaugen hingen aus geweiteten Höhlen. Die Haut wurde schwarz und platzte auf.
Doch das alles war noch längst nicht das Schlimmste; das
Schlimmste kam, als er das gräßliche Ding fallen ließ, das er in
Händen hielt - ihren Arm, an dem die Uhr nach wie vor die
Zeit maß -, und sie sich erhob.
»Es tut mir sehr leid«, sagte sie, und in der erstickten und
brechenden Stimme hörte Steve eine richtige Frau, nicht dieses verwesende Monster. »Ich wollte nie jemandem weh tun.
Fassen Sie die can tahs nicht an. Was immer Sie tun, fassen Sie die can tahs nicht an!«
Steve sah Cynthia an. Sie erwiderte den Blick, und er
konnte in ihren aufgerissenen Augen ihre Gedanken lesen. Ich
habe eins davon angefaßt. Zweimal. Wieviel Glück hatte ich?
Großes Glück, dachte Steve. Ich glaube, du hast großes Glück gehabt.
Audrey taumelte auf sie zu, weg von den vernarbten
grauen Steinfiguren. Steve konnte den durchdringenden Gestank von Blut und Verwesung riechen. Er streckte den Arm
aus, brachte es aber nicht über sich, sie tatsächlich aufzuhalten, obwohl sie zur Treppe und zum Flur wollte … wohin
Ralph mit seinem Jungen gegangen war. Er brachte es nicht
über sich, weil er wußte, daß seine Finger einsinken würden.
Jetzt konnte er ein klatschendes, tröpfelndes Geräusch
hören, als sich Teile von ihr verflüssigten und als eine Art fleischiger Regen herunterfielen. Sie erklomm die Stufen und
schlurfte zur Tür hinaus. Cynthia sah einen Moment mit verkniffenem und weißem Gesicht zu Steve auf. Er legte ihr einen
Arm um die Taille und folgte Johnny die Stufen hinauf.
Audrey schaffte die kurze, aber steile Treppe hinunter zum
Hur des ersten Stocks nur halb, dann stürzte sie. Das
Geräusch unter ihrem blutgetränkten Kleid war gräßlich
-
fast schon ein Platschen. Und doch lebte sie noch. Sie kroch
weiter, während ihr das Haar in die Stirn hing und barmherzigerweise den größten Teil ihres abfallenden Gesichts .verbarg. Am anderen Ende des Flurs stand Ralph mit seinem
Sohn auf den Armen da und betrachtete die Kreatur, die auf
sie zugekrochen kam.
»Erschießt sie!« schrie Johnny. »Um Gottes willen, warum
erschießt sie niemand?«
»Geht nicht«, sagte Steve. »Hier oben sind keine Waffen,
außer der des Jungen, und die ist leer.«
»Ralph, gehen Sie mit David nach unten«, sagte Johnny. Er
ging vorsichtig den Flur entlang. »Gehen Sie nach unten, bevor …«
Aber scheinbar interessierte sich das Ding, das Audrey Wyler gewesen war, nicht mehr für David. Es kam zum Eingang
des Balkons und kroch hinaus. Die

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