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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dir gesagt
habe -«
»>Wenn die Sucht anfängt, hört das Spiel auf<«, hatte sie
wiederholt. »Ich weiß, ich glaub, ich erinnere mich. Dir gefällt
es in Tahoe, mir gefällt es in Tahoe, den Kindern gefällt es in
Tahoe. Tahoe ist prima.«
Also hatten sie die notwendigen Reservierungen vorgenommen, und heute wenn es noch heute war - waren sie auf
dem US 50, dem sogenannten einsamsten Highway Amerikas, in Richtung der Sierras gefahren. Kirsten hatte mit Melissa Sweetheart gespielt, ihrer Lieblingspuppe, Ellie hatte ein
Nickerchen gemacht, und David hatte neben ihm gesessen
und, das Kinn auf die Hände gestützt, zur Windschutzscheibe
hinausgesehen. Davor hatte er in der Bibel gelesen, die ihm
sein neuer Kumpel, der Reverend, geschenkt hatte (Ralph
hoffte bei Gott, daß Martin nicht schwul war - er war verheiratet, ein gutes Zeichen, aber trotzdem konnte man nie wissen), aber dann hatte er ein Lesezeichen hineingetan und die
Bibel im Handschuhfach verstaut. Ralph überlegte sich, ob er
den Jungen fragen sollte, was ihm durch den Kopf ging, aber
ebensogut hätte er einen Pfosten fragen können, was ihm
durch den Kopf ging. David (er haßte es, Dave genannt zu
werden) war in dieser Hinsicht ein seltsames Kind, ganz anders als seine Eltern oder seine Schwester. Dieses plötzliche
Interesse an Religion - Ellen nannte es »Davids Gottestrip« war nur eine Form seiner Besonderheit. Es würde wahrscheinlich vorübergehen, und bisher hatte David ihn noch
nicht mit Bibelzitaten zum Thema Glücksspiele, Fluchen oder
Am-Wochenende-aufs-Rasieren-Verzichten belämmert, und
damit konnte Ralph leben. Schließlich liebte er den Jungen,
und Liebe deckte eine Menge Besonderheiten ab. Er hatte das
dunkle Gefühl, daß das einfach dazugehörte, wenn man jemand liebte.
Ralph hatte gerade den Mund aufgemacht, um David zu
fragen, ob er Frage und Antwort spielen wollte - seit sie heute
morgen Ely hinter sich gelassen hatten, gab es nichts mehr zu
sehen, und er langweilte sich zu Tode -, als die Lenkung des
Wayfarer plötzlich in seiner Hand auszuwandern begann und
das konstante Highway-Drohnen der Reifen sich plötzlich in
ein klatschendes Geräusch verwandelte.
»Dad?« fragte David. Er hörte sich besorgt an, aber nicht erschrocken. Das war gut. »Alles in Ordnung?«
»Halt dich fest«, hatte er gesagt und pumpend auf die Bremsen getreten. »Es könnte ein bißchen ungemütlich werden.«
Als er jetzt an den Gittern stand und die benommene Frau
sah, die ihre einzige Hoffnung sein konnte, diesen Alptraum
zu überleben, dachte er: Ich hatte keine Ahnung, wie ungemütlich
es werden würde, oder?
Der Kopf tat ihm weh beim Schreien, aber er schrie trotzdem, ohne zu merken, daß er sich fast genau wie sein Sohn anhörte: »Erschießen Sie ihn, Lady, erschießen Sie ihn!.«
3
    Was Mary Jackson nun einfiel und was der Auslöser war, daß
sie nach der Flinte griff, obwohl sie in ihrem ganzen Leben
noch nie eine Waffe - weder Gewehr noch Pistole - in der
Hand gehabt hatte, war die Erinnerung daran, wie der große
Cop die Worte Ich werde Sie töten in die Miranda-Warnung
hatte einfließen lassen.
Und es war sein Ernst gewesen. O Gott, allerdings.
Sie drehte sich mit der Waffe herum. Der große blonde Cop
stand in der Tür und sah sie mit seinen hellgrauen leeren
Augen an.
»Erschießen Sie ihn, Lady, erschießen Sie ihn!« schrie ein Mann.
Er befand sich in der Zelle rechts von Mary und stand neben
einer Frau mit einem derart blauen Auge, daß Ausläufer des
Blutergusses sich über ihre ganze Wange ausbreiteten, als
wäre ihr Tinte unter die Haut gespritzt worden. Der Mann sah
noch schlimmer aus; die ganze linke Seite seines Gesichts
schien mit geronnenem, halb getrocknetem Blut bedeckt zu
sein.
Der Cop rannte auf sie zu, daß seine Stiefel auf dem Holzboden polterten. Mary wich zurück, weg von ihm und zu der
großen leeren Zelle im hinteren Teil des Raums, während sie
die beiden Hähne der Schrotflinte mit den Daumen spannte.
Dann hob sie sie an die Schulter. Sie hatte nicht vor, ihn zu
warnen. Er hatte gerade kaltblütig ihren Mann getötet, und sie
hatte nicht vor, ihn zu warnen.
4
    Ralph trat pumpend auf die Bremse, hielt das Lenkrad mit
den Ellbogen festgeklemmt und ließ ihm mit den Händen ein
wenig Spiel, aber nicht zu sehr. Er konnte spüren, wie das
Wohnmobil ausbrechen wollte. Das Geheimnis, einen geplatzten Reifen bei einem Wohnmobil zu handhaben, hatte
man ihm gesagt, bestand darin, daß man es ausbrechen ließ jedenfalls ein wenig.

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