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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schüttelte den Kopf.
Johnny nickte, als hätte er es nicht anders erwartet, lehnte
sich zurück und legte den Kopf an die Wand des Busses. Mary
mußte feststellen, daß sie Marinville irgendwie mochte, auch
wenn er ein noch so großes Ekel sein konnte. Nicht nur, weil er
mit David zurückgekommen war; sie hatte ihn schon gemocht, seit… nun, seit sie nach den Gewehren gesucht hatten,
vermutete sie. Sie hatte ihm angst gemacht, aber er hatte sich
rasch wieder gefangen. Sie vermutete, daß es ihm zur zweiten
Natur geworden war, sich nach Rückschlägen rasch wieder
zu fangen. Und wenn er sich nicht darauf konzentrierte, sich
wie ein Arschloch zu benehmen, konnte er ganz amüsant sein.
Die .30-06 lag neben ihm. Johnny tastete danach, ohne den
Kopf zu heben, hob sie auf und legte sie quer über seine Knie.
»Ich glaube, morgen abend werde ich einen Vortrag versäumen«, sagte er zur Decke gewandt. »Er sollte das Thema
>Punks und Postliteraten: Amerikanische Autoren im einundzwanzigsten Jahrhundert< behandeln. Ich werde den Vorschuß zurückgeben müssen. >Traurig, traurig, traurig, George
und Martha.< Das ist aus -«
»Wer hat Angst vor Virgina Woolf«, sagte Mary. »Edward Albee. Wir in diesem Bus sind nicht alle Hinterwäldler.«
»Tut mir leid«, sagte Johnny, der sich verblüfft anhörte.
»Vergessen Sie nur nicht, diese Entschuldigung in Ihr Tagebuch einzutragen«, sagte sie, ohne die geringste Ahnung zu
haben, was sie damit sagen wollte. Er senkte den Kopf und
sah sie an, runzelte kurz die Stirn und fing dann an zu lachen.
Nach einem Augenblick stimmte Mary ein. Dann lachte auch
David, und Ralph stimmte ein. Sein Lachen klang erstaunlich
schrill für einen so großen Mann, eine Art Tii-hii wie in einem
Zeichentrickfilm, und bei dem Gedanken mußte Mary noch
mehr lachen. Es tat ihrem aufgeschürften Bauch weh, aber
trotz der Schmerzen hörte sie nicht auf.
Steve klopfte an die Rückwand der Fahrerkabine. Man
konnte unmöglich sagen, ob seine gedämpfte Stimme amüsiert oder erschrocken war. »Was ist da los?«
Mit seiner besten Löwenstimme brüllte Johnny Marinville
zurück: »Seien Sie still, Sie texanisches Longhorn! Wir unterhalten uns hier hinten über Literatur!«
Mary kreischte vor Lachen und hielt sich mit einer Hand
den Hals, die andere drückte sie auf ihren pochenden Bauch.
Sie konnte erst wieder aufhören, als der Bus die Kuppe des
Erdwalls erreichte, sie überquerte und die Fahrt bergab begann. Dann verschwand mit einem Schlag alle Heiterkeit aus
ihr. Die anderen hörten etwa gleichzeitig auf.
»Spürst du es?« fragte David seinen Vater.
»Ich spüre etwas.«
Mary fing an zu zittern. Sie versuchte sich zu erinnern, ob
sie schon vorher gezittert hatte, beim Lachen, und konnte es
nicht. Sie spürten etwas, ja, daran hegte sie keine Zweifel. Sie
würden vielleicht noch mehr spüren, wenn sie vorher hier
draußen gewesen wären, wenn sie dieselbe Straße hätten
hochlaufen müssen, bevor das blutende Ding dicht hinter ihnen imstande war
Schieb es dir aus dem Kopf, Mare. Schieb es raus und mach
die Tür zu.
»Mary?« fragte David.
Sie sah ihn an.
»Es dauert nicht mehr lange.«
»Gut.«
Fünf Minuten später - sehr lange Minuten - hielt der Bus an
und die Türen der Fahrerkabine gingen auf. Steve und Cynthia kamen nach hinten. »Raus mit euch, Leute«, sagte Steve.
»Endstation.«
Mary kletterte aus dem Bus hinaus und verzog bei jeder Bewegung das Gesicht. Sie hatte überall Schmerzen, aber in den
Beinen war es am schlimmsten. Wenn sie noch lange hinten in
dem Bus hätte sitzen müssen, überlegte sie sich, dann hätte sie
wahrscheinlich überhaupt nicht mehr gehen können.
»Johnny, haben Sie die Aspirin noch?«
Er gab sie ihr. Sie nahm drei, die sie mit dem letzten Schluck
Jolt hinunterspülte. Dann ging sie zur Vorderseite des Busses.
Sie befanden sich auf dem Grund der China-Grube, die
anderen zum ersten-, sie zum zweitenmal. Das Büro war nicht
weit entfernt; als sie es sah und sich überlegte, wie knapp sie
dem Tod entronnen war, wollte sie schreien. Dann fiel ihr
Blick auf den Streifenwagen mit der immer noch offenen Fahrertür, der immer noch hochgeklappten Haube und dem immer noch neben dem linken Vorderreifen liegenden Luftfilter.
»Legen Sie den Arm um mich«, befahl sie Johnny.
Er gehorchte und sah mit einer hochgezogenen Braue auf
sie hinab.
»Und jetzt führen Sie mich zu dem Auto.«
»Warum?«
»Weil ich dort etwas tun muß.«
»Mary, je eher wir anfangen, desto eher sind wir

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