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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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höchstwahrscheinlich wieder freilegen. Oder nicht? Also was bringt’s?«
David grinste tatsächlich. Mary fand, daß er erleichtert aussah. »Das ist nicht unser Problem, das ist Gottes Problem. Unseres ist es, das an tak und den Tunnel zur Außenwelt zu
schließen. Dann fahren wir weg und werfen keinen Blick zurück. Was ist Ihre andere Frage?«
»Darf ich dich zu einem Eis einladen, wenn alles vorbei
ist? Dir ein paar Kriegsgeschichten von der High School erzählen?«
»Klar. Wenn ich Ihnen sagen darf, daß Sie aufhören sollen,
wenn die Geschichten, Sie wissen schon, langweilig werden.«
»Langweilige Geschichten habe ich nicht in meinem
Repertoire«, sagte Johnny stolz.
Der Junge ging mit Mary zum Bus zurück, legte ihr einen
Arm um die Taille und drückte den Kopf an ihren Arm, als
wäre sie seine Mutter. Mary dachte sich, daß sie es eine Weile
sein könnte, wenn er es nötig hatte. Steve und Cynthia stiegen
in die Fahrerkabine ein; Ralph und Johnny Marinville setzten
sich gegenüber von Mary und David auf den Boden der Fahrgastzelle.
Als der Bus auf halbem Weg bergauf anhielt, spürte Mary,
wie David ihre Taille fester umklammerte, und legte ihm
einen Arm um die Schultern. Sie waren zu der Stelle gekommen, wo seine Mutter
- jedenfalls ihre tote Hülle - zusammengebrochen war. Das wußte er so gut wie sie. Er atmete
aufgeregt und flach durch den Mund, als würde er Liegestütze oder Kniebeugen machen. Mary legte ihm eine Hand
auf den Kopf und drückte ihn wortlos an sich. Er ließ es bereitwillig geschehen und preßte das Gesicht an ihre Brust. Er
atmete weiter flach und abgehackt durch den Mund, und
dann spürte sie, wie seine ersten Tränen ihr Hemd durchnäßten. Ihr gegenüber hatte Davids Vater die Knie an die Brust gezogen und die Hände vors Gesicht geschlagen.
»Schon gut, David«, murmelte sie und strich ihm durch das
Haar. »Schon gut.«
Türen wurden zugeschlagen. Schritte knirschten auf dem
Schotter. Dann ertönte leise die entsetzte Stimme von Cynthia
Smith. »Herrgott, sieh sie dir an!«
Steve: »Sei still, Dummkopf, sie können dich hören.«
Cynthia: »Scheiße. Entschuldigung.«
Steve: »Komm her. Hilf mir.«
Ralph nahm die Hände vom Gesicht, wischte sich mit
einem Ärmel über die Augen, kam auf Marys Seite des Busses
und legte einen Arm um David. David tastete nach der Hand
seines Vaters und hielt sie. Ralphs gequälte Augen, aus denen
die Tränen nur so strömten, sahen in die von Mary, und sie begann ebenfalls zu weinen.
Draußen konnten sie schlurfende Schritte hören, als Steve
und Cynthia Ellens Leichnam von der Straße trugen. Es folgte
eine Pause, ein Grunzen der Anstrengung von dem Mädchen,
dann kamen die Schritte zu dem Bus zurück. Mary war plötzlich sicher, daß Steve zur Rückseite des Busses kommen und
dem Jungen und seinem Vater eine unglaubliche Lüge auftischen würde
- irgendwelche Dummheiten von wegen, wie
friedlich Ellen aussah, als würde sie hier draußen, mitten auf
der Straße, nur ein Nickerchen machen. Sie versuchte, ihm
eine Botschaft zu schicken: Tu es nicht, komm nicht hierher und
erzähl gutgemeinte Lügen, das würde alles nur noch schlimmer machen. Sie waren in Desperation, sie haben gesehen, was da los ist,
versuch nicht, ihnen etwas vorzumachen.
Die Schritte verstummten. Cynthia murmelte etwas. Steve
gab eine Antwort darauf. Dann stiegen sie wieder in den Bus
ein, schlugen die Türen zu, der Motor heulte auf, und sie fuhren weiter. David hielt das Gesicht noch einen Moment an
Mary gedrückt, dann hob er den Kopf. »Danke.«
Sie lächelte, aber die Hecktür des Busses war noch oben,
und sie vermutete, in dem schwachen Licht konnte er sehen,
daß sie auch geweint hatte. »Nichts zu danken«, sagte sie. Sie
gab ihm einen Kuß auf die Wange. »Wirklich nicht.«
Sie schlang die Arme um die Knie und sah zur Hecktür des
Busses hinaus, wo der Staub aufwirbelte. Die blinkende Ampel konnte sie noch sehen, ein gelbes Fünkchen in unendlicher
Dunkelheit, aber nun bewegte es sich in die falsche Richtung
- weg von ihnen. Die Welt - die sie stets für die einzige Welt gehalten hatte
- schien ebenfalls zurückzuweichen. Einkaufszentren, Restaurants, MTV, Training in Gold’s Gym und ab
und zu heißer Sex am Nachmittag, das alles entfernte sich immer weiter.
Und es geht so leicht, dachte sie. So leicht, wie einem ein Penny
durch ein Loch in der Hosentasche rutscht.
»David?« fragte Johnny. »Weißt du, wie Tak überhaupt in
Ripton reingekommen ist?«
David

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