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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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waren
völlig ruhig, jedenfalls im Moment.
Vielleicht hat er gesehen, daß alles gutgehen wird, dachte sie. In
dieser Vision, die er hatte.. oder was immer es war. Oder vielleicht Sie wollte den Gedanken nicht zu Ende führen, konnte ihn
aber nicht mehr rechtzeitig abwürgen.
- vielleicht weiß er auch nur, daß es keine andere Möglichkeit gibt. Es folgte eine längere Stille - Mary kam sie sehr lang vor -,
dann ertönte ein hoher, peitschender Knall, der ein Echo hätte
haben sollen, aber keines hatte. Er ertönte einfach und verstummte wieder, als wäre er von den Wänden und Terrassen
und Tälern der offenen Grube verschluckt worden. Unmittelbar darauf hörte sie einen erschrockenen Vogelschrei
- Quooook! -, dann nichts mehr. Sie fragte sich, warum Tak nicht
die Tiere auf sie gehetzt hatte, wie auf so viele Bewohner der
Stadt. Weil sie sechs zusammen etwas Besonderes waren?
Vielleicht. Wenn ja, dann hatte David sie zu etwas Besonderem
gemacht, so wie ein einzelner großartiger Spieler eine ganze
Mannschaft aufwerten kann.
Sie drehten sich um und sahen, wie sich Ralph über das Vorhängeschloß beugte (Mary fand, er sah aus wie der Kuchenmann, der sich auf dem Schild der Howard-Johnson’s-Geschäfte über Simple Simon beugte) und es durch das Visier
des Helms betrachtete. Das Schloß sah verbogen und verdreht
aus und hatte ein großes schwarzes Loch in der Mitte, aber als
Ralph daran zog, hielt es stand.
»Noch einmal«, sagte er und machte eine Quirlbewegung
mit einem Finger, damit sie sich wieder umdrehten.
Sie drehten sich um, und ein weiterer Peitschenknall ertönte. Diesem folgte kein Vogelschrei. Mary vermutete, daß
der Vogel, der geschrien hatte, schon weit entfernt sein mußte,
obwohl sie keinen Flügelschlag gehört hatte. Was jetzt, wo
zwei Schüsse in ihren Ohren hallten, wohl auch kaum möglich gewesen wäre.
Als Ralph diesmal an dem Schloß zog, rutschte der Bügel
aus dem zerstörten Innenleben des Schlosses heraus. Ralph
zog es aus der Öse und warf es weg. Als er Johnnys Helm abnahm, grinste er.
David lief zu ihm und klatschte ihm gegen die erhobene
Hand. »Gut gemacht, Dad!«
Steve zog die Tür auf und sah hinein. »Mann! Dunkler als
eine Wagenladung Arschlöcher!«
»Ist da ein Lichtschalter?« fragte Cynthia. »Keine Fenster,
also muß es einen geben.«
Er tastete zuerst rechts, dann links von der Tür. »Achten Sie
auf Spinnen«, sagte Mary nervös. »Da könnten Spinnen drin
sein.«
»Da ist er, ich hab ihn«, sagte Steve. Ein Klick-klick, Klick-klick ertönte, aber kein Licht ging an.
»Wer hat noch eine Taschenlampe?« fragte Cynthia. »Ich
muß meine in dem verdammten Kino liegengelassen haben.
Jedenfalls hab ich sie nicht mehr.«
Keine Antwort. Mary hatte ebenfalls eine Taschenlampe gehabt - die sie in dem Büro gefunden hatte -, und sie dachte, sie
hätte sie in den Hosenbund gesteckt gehabt, nachdem sie den
Streifenwagen fahruntüchtig gemacht hatte. Wenn ja, war die
Lampe jetzt nicht mehr da. Das Beil auch. Sie mußte beides bei
ihrer Flucht aus der Grube verloren haben.
»Scheiße«, sagte Johnny. »Pfadfinder sind wir keine.«
»Im Bus ist eine, hinter dem Sitz«, sagte Steve. »Unter den
Karten.«
»Warum holen Sie sie nicht?« fragte Johnny, aber Steve bewegte sich einen oder zwei Augenblicke nicht. Er sah Johnny
mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an, den Mary nicht
richtig deuten konnte. Johnny entging er ebenfalls nicht.
»Was? Stimmt was nicht?«
»Nee«, sagte Steve. »Alles in Ordnung, Boß.«
»Dann laß knacken.«
3
    Steve Ames prägte sich den exakten Augenblick ein, als die Befehlsgewalt über ihren kleinen Stoßtrupp von David auf
Johnny überging; den Augenblick, als der Boß wieder zum Boß
wurde. Warum holen Sie sie nicht? hatte er gesagt, eine Frage, die
gar keine Frage war, sondern der erste richtige Befehl, den Marinville ihm seit ihrem Auf bruch in Connecticut gegeben hatte,
Johnny mit dem Motorrad, Steve gemächlich mit dem Bus hinterher, in dem er ab und zu eine seiner billigen Zigarren
rauchte. Er hatte ihn Boß genannt, bis Johnny ihn gebeten hatte,
es nicht mehr zu tun, weil es in der Unterhaltungsbranche eine
Tradition war: Im Theater nannten die Kulissenschieber den
Bühnenmanager Boß; am Drehort eines Films nannten die Kameraleute den Regisseur Boß; auf Tournee nannten die Roadies
den Tourneemanager oder die Bandmitglieder Boß. Diesen Teil
seines früheren Lebens hatte er einfach auf seine neue Aufgabe
übertragen, aber bis zu diesem Augenblick hatte

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