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Desperation

Desperation

Titel: Desperation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schicken?«
»Das glaubt David«, sagte Johnny, »was mich nach den
Sardinen und Crackern nicht überrascht. Aber ich glaube
nicht, daß es dazu kommen wird. Kommen Sie. Unsere
Stunde rückt näher.«
Sie traten in die schwindende Nacht hinaus und gesellten
sich zu den anderen.
4
    Am Fuß des Hangs, zwanzig Meter unter der gähnenden
quadratischen Öffnung des China-Schachts, hielt Johnny sie
an und forderte sie auf, die Schnüre der Beutel paarweise zusammenzubinden. Ein Paar legte er sich selbst um den
Nacken, so daß die Beutel selbst auf beiden Seiten seiner Brust
herunterhingen wie die Gewichte einer Kuckucksuhr. Steve
nahm auch ein Paar, und Johnny erhob keine Einwände, als
David seinem Vater die beiden restlichen abnahm und sich
selbst umhängte. Ralph sah besorgt zu Johnny. Johnny betrachtete David, stellte fest, daß der Junge zu der Öffnung hinaufschaute, warf dem Vater des Jungen einen Blick zu, schüttelte den Kopf und legte einen Finger an die Lippen. Still, Dad.
Ralph schien seine Zweifel zu haben, sagte aber nichts.
»Alles in Ordnung?« fragte Johnny.
»Was wird passieren?« fragte Mary. »Ich meine, wie sieht
unser Plan aus?«
»Wir tun, was Gott uns befiehlt«, sagte David. »Das ist unser Plan. Kommen Sie.«
David führte sie an und ging seitlich den Hang hinauf, um
nicht zu stürzen. Hier gab es keine breite Schotterstraße, nicht
einmal einen Trampelpfad, und der Boden war tückisch.
Johnny konnte spüren, wie er bei jedem Schritt unter seinen
Füßen wegzubröseln drohte. Es dauerte nicht lange, da pochten sein Herzschlag und seine geschwollene Nase im Einklang. Er war in den letzten paar Monaten ein braver Junge
gewesen, aber jetzt rächten sich doch eine Menge Hühner
(ganz zu schweigen von diversen gebratenen Enten und mit
Kaviar gefüllten Wachteln).
Trotzdem fühlte er sich gut. Jetzt war alles einfach. Das
schien irgendwie wunderbar zu sein.
David ging voraus, gefolgt von seinem Vater. Steve und
Cynthia folgten als nächste. Johnny und Mary Jackson bildeten den Schluß.
»Warum haben Sie immer noch diesen Motorradhelm?«
fragte sie.
Johnny grinste. Sie erinnerte ihn auf eine seltsame Weise an
Terry. Terry, wie sie in den alten Zeiten gewesen war. Er hielt
den Helm hoch und ließ ihn auf seiner Hand baumeln wie
eine Puppe. »Frag nicht, wem die Stunde schlägt«, sagte er.
»Sie schlägt dir, du legendärer Honigtau.«
Sie lachte kurz und atemlos. »Sie sind verrückt.«
Wären es vierzig statt zwanzig Meter bergauf gewesen
-
Johnny war nicht sicher, ob er es geschafft hätte. Auch so hämmerte sein Herz wie ein steter Paukenschlag in seiner Brust,
als David die gezackte Tunnelöffnung erreicht hatte. Und
seine Beine fühlten sich wie Spaghetti an.
Jetzt nicht schlappmachen, sagte er sich. Du bist im Endspurt. Er zwang sich, ein wenig schneller zu gehen, weil er plötzlich Angst hatte, David könnte sich einfach umdrehen und in
den Schacht hineingehen, bevor er selbst oben ankam. Er
wußte, es war möglich. Steve glaubte, der Boß wisse, was vor
sich ging, aber in Wahrheit wußte der Boß herzlich wenig. Er
hatte das Drehbuch mit einer Seite Vorsprung vor den anderen bekommen, das war alles.
Aber David wartete, und wenig später drängten sie sich alle
vor der Öffnung am Hang. Ein feuchter Geruch strömte daraus hervor, kalt und verkohlt zugleich. Und ein Geräusch war
zu hören, das Johnny mit Fahrstuhlschächten in Verbindung
brachte: das leise Flüstern von Zugluft.
»Wir sollten beten«, sagte David mit zaghafter Stimme. Er
streckte die Hände auf beiden Seiten aus.
Sein Vater nahm eine Hand. Steve legte die .30-06 hin und
nahm die andere. Mary nahm die von Ralph, Cynthia die von
Steve. Johnny trat zwischen die beiden Frauen, legte den
Helm zwischen die Stiefel und schloß den Kreis.
Sie standen in der dunklen China-Grube, rochen den feuchten Atem der Erde, lauschten dem leisen Rauschen und sahen
David Carver an, der sie hierher gebracht hatte.
»Wessen Vater?« fragte David sie.
»Vater unser«, sagte Johnny, der sich so leicht auf der Straße
des alten Gebets zurechtfand, als wäre er nie weg gewesen.
»Der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein
Reich komme -«
Die anderen stimmten ein, Cynthia, die Pfarrerstochter, als
erste, Mary als letzte.
»- Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden.
Unser täglich Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld,
wie wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in
Versuchung, sondern erlöse uns von dem

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